Südafrika: Streik als Machtkampf

■ Schwarze Kumpels wollen weiterstreiken, nachdem in eine Urabstimmung scheiterte / Weitere 13.000 Arbeiter entlassen

Von Hans Brandt

Johannesburg (taz) -Der größte Streik in der Geschichte Südafrikas weitet sich aus. Die etwa 300.000 streikenden südafrikanischen Bergarbeiter wiesen das jüngste Tarifangebot der Arbeitgeber in einer Urabstimmung am späten Mittwoch mit überwältigender Mehrheit zurück. Darauf reagierten die Arbeitgeber gestern mit der sofortigen Entlassung von 13.000 Arbeitern bei verschiedenen Gruben. Weitere 50.000 müssen mit ihrer Entlassung noch in dieser Woche rechnen. Gleichzeitig kündigte die Gewerkschaftsföderation COSATU Solidaritätsaktionen zur Unterstüzung der Bergarbeitergewerschaft NUM an. Der größte Bergbaukonzern Anglo American Corporation (Anglo) zeigte sich in einer Erklärung „äußerst enttäuscht“ von der Urabstimmung. „Wir werden uns nun darauf konzentrieren, alle unsere Bergwerke wieder zu voller Produktion zu bringen“, sagte ein Sprecher. Der Dachverband COSATU rief seine Mitgliedsgewerkschaften dazu auf, Güter der mit den Bergbaukonzernen verbundenen Unternehmen weder zu transportieren noch zu produzieren. Gleichzeitig warnte COSATU vor gewalttätigen Angriffen auf die Kumpel. Der Dachverband will auch internationale Solidarität mobilisieren. Neben afrikanischen und internationalen Gewerkschaftsorganisationen und der UNO soll mit internationalen Solidaritätsgruppen „der Verkauf südafrikanischer Kohle und südafrikanischen Goldes diskutiert“ werden. Die streikenden Kumpel weigerten sich, das Angebot der Minenkammer anzunehmen, weil die Arbeitgeber kein neues Lohnangebot gemacht hatten. Vertreter der Bergbauindustrie wiesen jedoch darauf hin, daß das am Dienstag gemachte Angebot effektiv eine 1,7 prozentige Erhöhung bedeutete. Gleichzeitig hatte die NUM in den Verhandlungen am Dienstag ihre Lohnforderung von 30 auf 27 Prozent gesenkt. Fortsetzung auf Seite 6 Auf Wunsch der südafrikanischesn Bergarbeitergewerkschaft NUM sollen Solidaritätsspenden auf das Konto der Industriegewerkschaft Bergbau und Energie eingezahlt werden. Sonderkonto Stichwort: Streik, Bank für Gemeinwirtschaft Bochum, Konto–Nr. 1178399200, BLZ 430101 11 Der Unterschied zwischen Gewerkschaft und Arbeitgebern hat sich also auf etwa zwei Prozent reduziert. Dennoch dauert der Streik an. Ein wichtiger Faktor dabei ist die offenbar ungebrochene Militanz der Bergarbeiter. „Wir wollen jetzt mehr Geld, nicht erst, wenn wir im Grab liegen,“ sagte ein Arbeiter als Reaktion auf die angebotene Erhöhung der Verbliebenenrente. COSATU sieht seine Solidaritätsaktionen vor dem Hintergrund der „Living Wage Campaign“, mit der die Föderation in diesem Jahr eine wesentliche Verbesserung der Löhne aller Arbeiter in Südafrika erreichen will. So warnte COSATU–Chef Jay Naidoro die Minenkammer, daß „ein Angriff auf die NUM ein Angriff auf die gesamte progressive Arbeiterbewegung“ ist. Auch für die Arbeitgeber geht es bei diesem Streik um einen grundsätzlichen Konflikt. „Dieser Streik ist ein Test, in dem das liberale Kapital eine Möglichkeit der Teilung der Macht mit schwarzen Gewerkschaften etablieren will“, sagte Bobby Godsell von Anglo American am Dienstag. Er betonte, daß die Zukunft der gesamten Bergbauindustrie auf dem Spiel stehe. Für die Arbeitgeber ist eine Konfrontation auf dieser grundsätzlichen Ebene jedoch mit erheblichen Kosten verbunden. Das gilt vor allem für die Entlassung von Zehntausenden von Arbeitern. Zwar sind neue Arbeiter leicht zu finden - in Lesotho stehen Neubewerber schon seit Tagen Schlange vor den Arbeitsbüros der Minenkammer. Doch viele von ihnen müssen neu ausgebildet und eingearbeitet werden. Für die NUM ist eine Teilung der Macht undenkbar. „Wie können wir mit Leuten, die derartige Hungerlöhne zahlen, die mit Gewehren und Tränengas gegen uns vorgehen, zusammenarbeiten?“ fragt NUM–Generalsekretär Cyril Ramaphosa. Für ihn gibt das NUM–Motto für dieses Jahr die Richtung an: „Das Jahr, in dem die Bergarbeiter die Kontrolle übernehmen“. Der Streik wird für die NUM jedoch immer schwieriger durchzuführen sein. Tausende von NUM– Mitgliedern werden gefeuert und verschwinden in den ländlichen Gegenden. Die streikenden Arbeiter in den Wohnheimen bleiben dem Druck der Arbeitgeber in den weit verstreuten Bergwerken ausgeliefert.