Press-Schlag
: Der Tag des Goldes

■ Italiens Hoffnungen auf Siege gingen im Chaos unter

Etwas hat Salvatore Antibo geahnt: „Mein Hauptgegner ist Paul Kipkoech.“ Was dann doch wieder nicht stimmte, denn der Kenianer war letztlich völlig außerhalb seiner Reichweite. Blieb Francesco Panetta. Der wußte vorher: „Eins ist klar, ich werde nicht die Initiative ergreifen.“ Das brauchte er auch gar nicht, denn nach der Hälfte der 10.000 Meter hängte ihn Kipkoech mitsamt den anderen ab. Ein „giornata doro“ sollte der Samstag werden, so wollten es die italienischen Zeitungen, ein Tag des Goldes. Alles paßte so schön zusammen: Auftakt zur 2. Leichtathletik–Weltmeisterschaft, und gleich konnte man die drei großen Hoffnungen des Landes in die heimische Arena schicken. Denn neben Panetta und Antibo war ja da noch Alessandro Andrei, jener Hüne, der vor zwei Wochen die Kugel zu seiner Welt machte. Gleich viermal in einer Serie wuchtete er das gut sieben Kilo schwere Ding über den bestehenden Weltrekord. Wer wollte ihm beikommen? Der Schweizer Werner Günthör (200 cm/127 kg) schaffte es. In die Pfiffe des Publikums hinein stieß er auf 22,23 m, als einziger blieb er an diesem Tag über der magischen 22–Meter–Marke. Und weil Andrei (189/120) mit 21,88 mehr als einen Meter unter seinem Rekord (22,91) blieb, wurde ihm auch noch der US– Amerikaner Brenner (192/129) mit 21.75 gefährlich. Ein gefundenes Fressen für Spötter, diese schwachen Leistungen der Kugel–Bären, von denen insgesamt sieben angereist sind, mit 22–Meter–Stößen in den Pranken. Irgendwann, werden sie sagen, läßt eben die Wirkung der verbotenen Anabolika nach, die so schöne Muskeln machen. Und bei der WM sind halt Doping– Kontrollen. Bei den 10.000 Metern wiederum gibt es ein italienisches Gewohnheitsrecht: Da hatten in den vergangenen Jahren die Läufer Cova und Mei eifrig Gold abgeräumt, und Antibo und Panetta standen bereit, das Erbe anzutreten. Wie angedeutet, war da Kipkoech vor. Während Antibo sich im Feld verlor, hatte Panetta als Zweiter nach vorn und hinten reichlich 70 Meter Luft. Bis auf der Zielgeraden Hansjörg Kunze (DDR) anstürmte, getäuscht von der falschen Runden–Anzeige: In Wirklichkeit waren noch 400 Meter zu rennen. Den dritten Platz zu halten, dafür reichte Kunzes Puste noch. Der Pulk der anderen Läufer aber, gänzlich irritiert, löste sich im Chaos auf. Zweimal Silber (immerhin „mit Herz“, wie die Schlagzeile der Gazzetta dello Sport am Sonntag feststellte) also für Italien am Tag des Goldes, da wird auch die Forderung von Andreis Trainer Roberto Riga nicht erfüllt: „Wenn Andrei gewinnt, muß man ihm, wie im antiken Griechenland, ein Denkmal errichten.“ Da bleibt jetzt ein ordentlicher Brocken Marmor im Steinbruch. Thömmes