Anglo American - Südafrikas größter Multi

■ Der größte Bergbaumulti Südafrikas ist zentraler Baustein des Oppenheimer–Imperiums / 60 Prozent des südafrikanischen Goldes wird bei Anglo produziert / Das liberale politische Image Oppenheimers hindert ihn nicht an einer harten Haltung im Bergarbeiterstreik

Aus Johannesburg Hans Brandt

Harry Oppenheimer (78) ist ein kleiner Mann. Neben Cyril Ramaphosa (35), dem imposant wuchtigen Generalsekretär der schwarzen Bergarbeitergwerkschaft NUM, wirkt er fast wie ein Zwerg. Die beiden Giganten der Bergbauindustrie trafen sich 1986 zum ersten Mal. Ramaphosa nutzte die erste Geburtstagsfeier der oppositionellen Weekly Mail zu leidenschaftlicher Kritik. „Die Bergbauindustrie ist der Schmelzofen, in dem Rassendiskriminierung geschmiedet wurde“, wetterte der bärtige Rechtsanwalt. „Sie gründet sich auf das ausbeuterische System der Wanderarbeit und Polizeirepressionen, um zu funktionieren.“ Davon läßt sich der „Diamantenkönig“ Oppenheimer nicht beeindrucken. Er antwortete auf typisch herablassende Art. „Herrn Ramaphosas Rede war äußerst rührend und bewegend, um so rührender, als er die Tatsachen vernachlässigt hat“, sagte er. Selbstsicher wies Oppenheimer darauf hin, daß auch er gegen die Apartheid ist: „In einigen Teilen des privaten Unternehmertums hat Herr Ramaphosa mächtige Verbündete in seinem Kampf gegen Rassendiskriminierung.“ Tatsächlich pflegt Oppenheimer seit Jahrzehnten sein liberales Image. Fast eigenhändig gründete er die liberale Progressiv–Föderale Partei (PFP), die er jahrelang finanzierte. Schon 1953 interpretierte Nelson Mandela die Oppenheimer–Strategie wie folgt: „Statt den teuren, zweifelhaften und gefährlichen Versuch zu unternehmen, die schwarze Massenbewegung zu zerstören, versuchen sie (die Oppenheimers), sie mit schönen Worten und Versprechen umzulenken und mit Eingeständnissen und Bestechungen an eine privilegierte Minderheit zu spalten.“ Tatsächlich sagte Oppenheimer selbst einmal: „In Südafrika mag ich wie ein Liberaler erscheinen, in meinem Herzen bin ich jedoch einfach ein altmodischer Konservativer.“ Auch im derzeitigen Bergarbeiterstreik ist Harry Oppenheimer, der eigentlich im Ruhestand ist, täglich jedoch noch sein Büro im Johannesburger Finanzviertel aufsucht, einer der starken Männer im Hintergrund. Denn am schwersten vom Streik betroffen ist Oppenheimers Familienkonzern, der größte Bergbaumulti des Landes, Anglo American Corporation (Anglo). Oppenheimers Einfluß, seine Position als einer der reichsten Menschen der Welt und als mächtigster Mann in Südafrika nach Staatspräsident P.W. Botha, gründet sich neben Anglo auf einen zweiten südafrikanischen Bergbaukonzern: De Beers, der Diamantenriese, der mit seinem weltweiten Monopol die Preise der harten Juwelen selbst bestimmen kann. Anglo wurde 1917 von Harry Oppenheimers Vater Ernest gegründet, mit dem riesigen Startkapital von einer Million Pfund, das von britischen und amerikanischen Finanziers aufgebracht wurde. Einer der Finanziers war ein gewisser J. Edgar Hoover, später Präsident der USA. Die Firmengründung wurde mit der damaligen südafrikanischen Regierung abgestimmt. Anglo ist der bei weitestem größte Multi in der südafrikanischen Wirtschaft, die ohnehin von nur etwa sechs Monopolgruppen dominiert wird. 80 Prozent aller Aktien, die an der Johannesburger Börse gehandelt werden, kommen von Anglo–Unternehmen. In Anglos Minen wird 60 Prozent des südafrikanischen Goldes produziert, also 36 Prozent des Goldes, das im Westen gefördert wird. Für Anglo arbeiten allein in Goldbergwerken 305.000 Menschen. Weitere 25.000 Angstellte haben mit Diamanten zu tun, etwa 100.000 sind in anderen Bergwerken, darunter Platin und Kohle, tätig. Weltweit hat die Anglo–De Beers Gruppe etwa 800.000 Angestellte. Obwohl Anglo sich in Südafrika politisch aufgeklärt gibt, ist das Verhältnis des Konzerns zur Apartheid–Regierung immer zweideutig gewesen. Als Botha 1978 an die Macht kam und einen neuen Reformkurs einschlug, hatte Oppenheimer den Eindruck, als ob die Reformen, die er seit langem gefordert hatte, endlich zur Realität werden würden. Auch Gavin Relly, Oppenheimers Nachfolger als Vorsitzender von Anglo, unterstützt bis heute vorsichtig die Reformen der Regierung. „Wenn Herr Botha seine Politik mit Nachdruck fortführt, haben wir Grund zur Hoffnung für eine neue Ära im südlichen Afrika“, schrieb Relly 1984. 1985 machte Relly sich allerdings bei der Regierung unbeliebt, als er eine Delegation führender Geschäftsleute nach Lusaka zu Gesprächen mit dem verbotenen Afrikanischen Nationalkongreß (ANC) führte. Solche Gespräche hält Relly heute jedoch nicht mehr für angebracht. In seinen jüngsten Aussagen unterstützt er sogar den seit mehr als einem Jahr gültigen Ausnahmezustand, auch wenn er die damit verbundenen Zensurbestimmungen kritisiert. Auch im derzeitigen Bergarbeiterstreik zeigt sich der Widerspruch zwischen Anglos politisch liberalen Aussagen und den wirtschaftlichen Entscheidungen des Konzerns. Anglo hat das Wachstum der NUM immer gefördert. Relly hält die Tatsache, daß der Streik überhaupt stattfinden kann, für ein Zeichen der Liberalisierung der südafrikanischen Gesellschaft. Noch Anfang dieser Woche sagte Anglo–Sprecher Bobby Godsell: „Dieser Streik ist ein Test, in dem das liberale Kapital eine Möglichkeit der Teilung der Macht mit schwarzen Gewerkschaften etablieren will.“ Doch die NUM lehnt eine Teilung der Macht strikt ab. „Wie können wir Macht teilen mit Leuten, die Hungerlöhne zahlen, die mit Gewehren und Tränengas gegen uns vorgehen?“ fragt Ramaphosa. Stattdessen wünscht sich die NUM in Südafrika eine sozialistische Gesellschaft, in der „die Arbeiter die Kontrolle über die Produktionsmittel übernehmen“. Das ist auch für Anglo zu viel. So ist es gerade dieser Konzern, der Zehntausende legal streikender Arbeiter entläßt. Auch für Anglo ist der Streik zu einer entscheidenden Machtprobe geworden. Literaturhinweis: David Pallister, Sarah Steward und Ian Lepper, „South Africa Inc. The Oppenheimer Empire“, London (Simon and Shuster), 1987.