Ließ Enrile gegen Aquino putschen?

■ Flüchtiger Putschanführer Honasan ist ein enger Vertrauter des Ex–Verteidigungsministers Enrile

Nachdem die Armee den Putsch gegen die Regierung niedergeschlagen hatte, wurden über 700 Meuterer auf einem Kriegsschiff interniert. Der Anführer Oberst Honasan, Schlüsselfigur der „Bewegung für Reformen in der Armee“, ist noch flüchtig. Der frühere Verteidigungsminister in der Regierung Aquino, Enrile, stellte sich erst nach dem Scheitern des Putsches auf die Seite der Regierungstruppen. Der philippinische Senator Manglapus verdächtigt sogar pensionierte US–Generäle.

An einigen sensiblen Punkten der Acht–Millionen–Stadt sind Schnellfeuer–Maschinengewehre, Granatwerfer, Haubitzen, Panzerkanonen, Raketen, Bordgeschütze und Bombenexplosionen zu hören. Spätestens dann, wenn die Druckwellen der Detonation die dünnen Häuserwände zum Zittern bringen und Querschläger übers Dach pfeifen, fängt man an, den Radioreportern zu glauben. „Dies ist nicht wie Krieg, dies ist Krieg“, ruft er aufgeregt ins Mikrofon, als ob er es selbst noch nicht ganz fassen könnte, er warnt seine Hörer, im Haus zu bleiben, Fenster und Türen zu schließen und auf keinen Fall die Kinder auf die Straße zu lassen. Zwischen den Nachrichten und Live–Berichten von den verschiedenen Schauplätzen bringen die nicht–besetzten Radiostationen jedoch ihr normales Musikprogramm und selbst Werbespots für Milchpulver oder andere wichtige oder überflüßige Produkte werden gesendet. Die Schulen blieben am Freitag geschlossen, viele Büros und Betriebe schickten die Beschäftigten mittags nach Hause. Manch ein Hundertpesoschein wurde noch schnell gegen eine volle Einkaufstüte getauscht. Wenn auch die meisten Bewohner der Hauptstadt im Kreis ihrer Familie vor Radio– oder Fernsehgeräten hockten und viele Straßen und Wohnviertel ungewöhnlich ruhig waren, einige Tausend Neugierige zog es ungeachtet drohender Gefahr für Le ben und Gesundheit in die Nähe der Streitkräfte–Hauptquartiere Camp Aguinaldo und Camp Crame, zu den verschiedenen besetzten Rundfunkstationen und zum ebenfalls besetzten Hotel „Camelot“. Waren die Ordnungskräfte zu konfus oder war es gar Teil einer erfahrenen Taktik, Zivilisten als Schutzschild zu benutzen? Im Unterschied zum gescheiterten Putsch Ende Januar wurden jedenfalls keine Absperrungen errichtet. Soweit bisher bekannt geworden, sind weit mehr unbeteiligte Zuschauer getötet oder verwundet worden als Putschisten oder Regierungssoldaten. Augenzeugen berichten, daß bei einem Angriffsversuch regierungstreuer Einheiten auf ein Tor des von Rebellen gehaltenen Camp Aguinaldo kein einziger Soldat verletzt wurde, aber Scharfschützen hinter der Kasernenmauer gezielt auf die Menge feuerten. Mindestens sieben Menschen wurden teilweise lebensgefährlich verletzt. Am frühen Morgen, nach dem zweiten Angriff auf den Malacanang–Palast, Cory Aquinos Regierungssitz, wurden gar in einem neuen Blutbad, das bereits als „Loreto–Massaker“ einen Namen gefunden hat, mehrere Menschen getötet, unter anderem drei Leibwächter des Aquino–Sohnes Benino „Noynoy“ III, der mit mehreren Schußverletzungen überlebte. Die bekannte Tatsache, daß Soldaten der philippinischen Streitkräfte kaum zu bewegen sind, auf Kameraden zu feuern, hat sich einmal mehr bestätigt. Selbst in heftigsten Kämpfen im Camp Aguinaldo, in dem am späten Nachmittag des vergangenen Freitags für mehrere Stunden das Inferno ausgebrochen zu sein schien, Panzer–Artilleriegefechte im Gange schienen, Kampfflugzeuge und -Hubschrauber im Tiefflug Raketen abfeuerten, scheinen geschickte Pyro–Techniker eine grandiose Show abgezogen zu haben. Bis auf das kokelnde Gerippe des Hauptquartiers, das angeblich von den Aufständischen mit Hilfe einiger Benzinkanister in Brand gesteckt worden war, präsentierte sich das weitläufige Gelände den zahllosen neugierigen Besuchern am Samstag fast unbeschädigt. Offiziere weigerten sich hartnäckig, all diese Ungereimtheiten plausibel zu erläutern und mochten auch keine Zahlen über die gefallenen Kämpfer freigeben. In der überwiegend katholischen Inselrepublik mußte auch erneut ein Wunder herhalten, um zu erklären, warum niemand in dem umstellten, lichterloh brennenden Hauptquartier umgekommen ist. Wie konnte es dem Putschobristen Gregorio, „Gringo“ Honasan gelingen, aus der belagerten Festung ungehindert zu entkommen? Einige wollen ihn in einen Hubschrauber steigen gesehen haben - was von Generalstabschef Fidel Ramos entschieden bestritten wird -, andere beobachteten angeblich, wie er kurz vor Einbruch der Dunkelheit auf einem Motorrad davonfuhr. Die meisten der am bislang ernsthaftesten Putschversuch in Manila beteiligten Offiziere und Soldaten konnten festgenommen werden. Etwa 700 befinden sich inzwischen auf einem Landungsschiff, das mitten in der Manila– Bay ankert, um Befreiungsversuche auszuschließen. In den Provinzen ist die Situation dagegen noch verworren. Zwar haben regierungstreue Truppen auch hier die Oberhand gewonnen, doch sind rebellierende Einheiten bislang nicht vollständig in die Kasernen zurückgekehrt. Bereits am Samstag normalisierte sich das Leben in Manila wieder. Obwohl sich die Unzufriedenheit über die Wirtschatspolitik der Regierung am Mittwoch letzter Woche in einem Massenstreik gegen die Erhöhung der Mineralölpreise entlud, ist die Errichtung einer Militärjunta offenbar das letzte, was sich die Bevölkerung wünscht. In die Erleichterung über die Abwehr dieser Gefahr und etwas ungläubiges, aber größtenteils wohlwollendes Staunen über die kämpferische Entschlossenheit der Regierungschefin, den Putsch rücksichts– und bedingungslos niederzuschlagen, mischt sich aber auch die Sorge über das künftige Verhalten und die Rolle der Militärs. Auch ein möglicher härterer Kurs der Regierung vor allem in der Innenpolitik und in der Bekämpfung der linken NPA–Rebellen scheint nicht ausgeschlossen. Im Kabinett soll am Freitag die Ausrufung des Kriegsrechts auf der Tagesordnung gestanden haben. Enrile, zu dessen engsten Mitarbeitern der Putschführer Honasan früher zählte, ist nach zweitägiger Versenkung wieder aufgetaucht und hat energisch dementiert, daß er Kenntnis vom Vorhaben seines Exsicherheitschefs gehabt habe oder gar in den Staatsstreich verwickelt sei. Er habe nur lästigen Fragen ausweichen wollen und um seine Sicherheit gefürchtet. Gebhard Körte