Jugoslawien wächst die Inflation über den Kopf

■ UdSSR bietet Jugoslawien statt Schuldenzahlung Lieferung von AKW an

Berlin (ap/taz) - Der gigantische Wirtschaftsskandal in Jugoslawien, bei dem ungedeckte Wechsel eines Großkonzerns in Höhe von umgerechnet mehr als einer halben Milliarde DM aufflogen (taz v. letzten Donnerstag) trifft einen Staat, der ohnedies immer tiefer in die Krise stürzt. Das Land der Kollektivbetriebe teilt sich dabei ein Problem mit vielen Entwicklungsländern: Die Auslandsverschuldung. Sie wird mehr und mehr für die Bevölkerung spürbar: Die Behörden in Belgrad haben jetzt bekanntgegeben, daß die Inflationsrate des Landes mittlerweile die 100–Prozent–Marke überschritten hat. Die Geldentwertung trifft nun auch die Hauptstädter empfindlich, die von der wirtschaftlichen Misere bislang noch am ehesten verschont waren. Zum 1. August hatte die Regierung drastische Preiserhöhungen verkündet: 55 Prozent für Eisenbahnfahrkarten, 40 Prozent für elektrischen Strom, für Bekleidung immerhin 500 Prozent. Die Preiserhöhung für Brotwaren um 130 Prozent mußte nach stürmischen Protesten wieder zurückgenommen werden. Die bislang höchste Banknote, der 5.000–Dinar–Schein reicht nicht mehr, demnächst sollen Noten für 10.000, 20.000 und 50.000 Dinare ausgegeben werden. Die Regierung versucht derweil, dem Inflationsproblem mit dem Ansporn zum erhöhten Sparen beizukommen, man gab festverzins liche Wertpapiere mit einer einer Laufzeit von drei Jahren und Renditen von 99 Prozent aus, allein, es wollte sie niemand kaufen. Die 20 Milliarden Dollar westlicher Auslandsschuld können immer schwerer bedient werden. Für eine am 1. Juli fällig gewordene Rate von 250 Millionen Dollar mußte Belgrad um Zahlungsaufschub bitten. Dabei hat Jugoslawien pikanterweise selbst große Probleme mit seinen Schuldnern. Die Sowjetunion, die aus dem gemeinsamen Handel dem südslawischen Land 1,5 Milliarden Dollar schuldet, will nicht mehr zahlen. Zum Schuldenausgleich will man lieber Waren liefern. Dabei kam Moskau auf die überaus originelle Idee, Jugoslawien möge doch ein sowjetisches Atomkraftwerk als Schulden–Begleichung akzeptieren. Ansonsten hatte man noch eine U–Bahn für Belgrad zu bieten. Die Belgrader Regierung lehnt mittlerweile die volle Verantwortung für die Wirtschaftskrise ab. In einem Interview erklärte Ministerpräsident Branco Mikulic kürzlich, dies sei schon deshalb nicht möglich, weil „ständig von mehreren Tausend Selbstverwaltungs– und Staatsorganen Entscheidungen getroffen“ werden, die die Wirtschafts– und Marktverhältnisse beeinflußten. Mikulic muß sich darüber im Klaren sein, daß sein „Lack ab“ ist. Galt er noch bei seiner Amtsübernahme im Mai als energischer, entscheidungsfreudiger Politiker, der am besten geeignet schien, auch unpopuläre Maßnahmen durchzuboxen, hat er inzwischen Niederlagen hinnehmen müssen. Neben der Brotpreiserhöhung mußte er auch einen verkündeten Lohnstopp zurücknehmen. Zwei Monate nach dessen Inkrafttreten wurden den Staatsbediensteten 33prozentige Gehaltserhöhungen gewährt. Dem war eine bis dahin ungekannte Welle von Arbeitsniederlegungen in etwa 700 Betrieben vorausgegangen. Neue Streiks werden erwartet, wenn das bereits fertiggestellte neue Konkursgesetz in Kraft treten sollte. Es könnte für rund 2.300 mit Verlust arbeitende staatliche Betriebe mit 1,5 Millionen Beschäftigten die Schließung bedeuten.