I N T E R V I E W „Information ist dringend nötig“

■ Heide Rühle, (die Grünen Ba–Wü) ist Aktivistin in der §218–Koordination

taz: Auf dem Parteitag hat sich die Lebensschützerfraktion nicht durchgesetzt, beschlossen wurde jedoch eine ideologische Offensive. Heide Rühle: Es wurde ein Kompromiß ausgehandelt. Die CDU in Baden–Württemberg ist unter starkem Druck reaktionärer Kräfte. Allerdings sieht Lothar Späth sehr klar, daß eine Verschärfung des §218 in Baden–Württemberg Wähler– und Wählerinnenstimmen kosten würde. Schließlich steht ein Wahlkampf an. Deshalb dieser Kompromiß, der den „Lebensschützern“ im öffentlichen Raum mehr Möglichkeiten gibt. Zum Beispiel soll in den Schulen Propaganda gegen Abtreibungen gemacht werden. Wie schätzt Du den beschlossenen Leitantrag ein? Tendenziell wird dort eine direkte Verschärfung des §218 erwogen, wenn die Zahl der Abtreibungen aufgrund der sozialen Indikation nicht entscheidend gesenkt wird. Das sind alles Soll–Bestimmungen. Konkrete rechtliche Schritte wurden nicht beschlossen. Statt dessen soll die öffentliche Meinung geändert werden. Das fängt schon bei der Sprache dieses Leitantrags an. Statt dem „ungeborenen Leben“ ist dort bereits überall von einem „Kind“ die Rede. Damit wird suggeriert, daß ab dem Zeitpunkt der Empfängnis ein Kind im Mutterleib heranwächst. Und in dem ganzen Entwurf tauchen Frauen, wenn überhaupt, nur als Mütter auf. Also, daß die direkte Verschärfung des §218 mit dem Leitantrag in die Praxis umgesetzt wird, hälst Du für nicht wahrscheinlich? Derzeit nicht. Sicherlich wird sich jedoch der Druck auf Bonn erhöhen, das geplante Beratungsgesetz, das sich im großen und ganzen an den baden– württembergischen Richtlinien orientiert, bundesweit einzuführen. Was planen engagierte Frauen gegen die ideologische Offensive? Wir haben leider feststellen müssen, daß wir in den letzten Jahren zu passiv waren. Wir müssen in die Öffentlichkeit. Informationen zum Beispiel über die „Stiftung Mutter und Kind“ oder die anderen Stiftungen sind dringend nötig. Dann muß über den §218 insgesamt informiert werden, daß damit die Entmündigung der Frauen festgeschrieben ist. Für den 7. November haben wir eine landesweite Demonstration in Stuttgart ins Auge gefaßt. Dazu soll es am 11. Oktober ein Koordinierungstreffen mit autonomen Frauen, grünen Frauen und Gewerkschafterinnen geben. Wir wollen auch auf Ärzte und Ärztinnen zugehen und auf die Verbände. Interview: Helga Lukoschat