Keine Niederlage

■ Zum Abbruch des Bergarbeiter–Streiks in Südafrika

In ersten Berichten über die Beendigung des Streiks der südafrikanischen Bergarbeiter wurde recht umstandslos von einer Niederlage der Bergarbeitergewerkschaft NUM gesprochen. Die Gewerkschaft habe ihre Lohnforderung nicht durchsetzen können, habe sich mit Verbesserungen bei irrelevanten Nebenforderungen zufrieden geben müssen. Diese Einschätzung ist blind für die Bedingungen, unter denen die Bergarbeiter in Südafrika arbeiten und - wie in den letzten drei Wochen - kämpfen müssen. Die Gewerkschaft NUM hat sich gegen eine hierzulande unvorstellbare Repression behauptet. Und die Bedeutung der durchgesetzten Verbesserungen ist nur vor dem Hintergrund der Brutalität der Arbeitsbedingungen in den südafrikanischen Gold– und Kohleminen richtig zu begreifen. Genau zur Rückkehr der Bergarbeiter an ihre Arbeitsplätze hat die Explosion in der St.–Helena–Goldmine mit 70 verschütteten und derzeit noch nicht befreiten Bergleuten auf schreckliche Weise demonstriert, daß beispielsweise die im Streik durchgesetzte Erhöhung des Sterbegeldes für die Hinterbliebenen von verunglückten Bergarbeitern keine beliebige Nebensächlichkeit ist. Darin drückt sich eine Arbeitserfahrung der Bergleute aus, die sich in statistischen Zahlen so beschreiben läßt: In den letzten zehn Jahren fordert der südafrikanische Bergbau rund 8.000 Tote, pro Jahr im Schntit 800. Jedes Jahr muß mindestens einer von 600 Kumpeln damit rechnen, den Schacht nicht mehr lebend zu verlassen. Wer wollte angesichts dessen urteilen, die Erhöhung des Sterbegeldes sei umwichtig gegenüber dem , was nicht durchgesetzt werden konnte? Das Ergebnis des Bergarbeiterstreiks spiegelt exakt das Kräfteverhältnis zwischen der weißen südafrikanischen Gesellschaft und den shwarzen Gewerkschaften wider. Die NUM hat trotz Mord und Massenentlassungen durchgesetzt, daß sie von den Minengesellschaften als handlungsfähige Kraft akzeptiert werden mußte. Es wird eine Lohnerhöhung geben. Die meisten Entlassenen werden offenbar wieder an ihre Arbeitsplätze zurückkehren. Der Versuch, die gewerkschaftliche Basis durch Massenentlassungen zu zerstören, ist fehlgeschlagen. Der Abbruch des Streiks zu diesem Zeitpunkt bedeutet zwar einen momentanen Rückzieher. Aber die Voraussetzungen für künftige Arbeitskämpfe dürften sich nach dem dreiwöchigen Streik der Bergleute verbessert haben. Martin Kempe