Transnuklear: Flüssigabfall vertuscht

■ Späte Erkenntnisse nach dem Unfall bei „Transnuklear“–Transport von Abfällen aus dem AKW Krümmel nach Belgien / Flüssige Abfälle in der Ladung nicht deklariert / Keine Erdreichmessungen dank Bestechungspraxis

Aus Hamburg Ute Scheub

Am 21. Oktober 1986 gegen 19 Uhr verlor der übermüdete Fahrer die Kontrolle über seinen Laster und kam von der Fahrbahn ab. In der Nähe des belgischen Ortes Kwardmeechelen kippte der kaum gesicherte Last–Container um, der Deckel sprang auf. 439 Beutel und zehn Kanister mit schwachradioaktiven Fest– und Flüssigabfällen aus dem bundesdeutschen AKW Krümmel, die im Auftrag der Haunauer Atomtransportfirma „Transnuklear“ ins belgische Mol zur Verbrennung ge bracht werden sollten, kullerten umher. „Bei dem Unfall ist Flüssigkeit aus den Kanistern ausgelaufen und im Erdreich versickert“, vertraute ein Hanauer Insider einem Anwalt an. Die Deklaration in den Tarnsportpapieren sei falsch gewesen, denn die flüssigen Abfälle seien dort nicht aufgeführt. Nach einem erst kürzlich ausgestrahlten Bericht von Fernsehautor Christoph Maria Fröder, dessen Film über den „Skandal Transnuklear“ bisher nur vom WDR ausgestrahlt wurde, dauerte es am Unfalltag einige Zeit, bis eine Spezialfirma vor Ort war, deren Männer in Schutzanzügen die Abfälle wieder einsammelten. Die Messung einer Partnerfirma von „Transnuklear“ am gleichen Tag ergab eine Strahlung von 450 Millirem, eine zweite, im Auftrag des zuständigen belgischen Ministeriums am nächsten Tag durchgeführte Messung war ohne Ergebnis. Allerdings: Das Ministerium ließ anscheinend das Erdreich außer acht, denn es weiß bis heute nichts von den radioaktiven Flüssigabfällen, die sich möglicherweise im Grundwasser befinden. Das „Studiencenter für Kernenergie“ in Mol, das die Ladung mit Verzögerung entgegennehmen konnte, hatte es darüber nicht informiert. Die Erklärung dafür liegt wahrscheinlich darin, daß sowohl der Leiter von Mol als auch sein Stellvertreter durch zwei ganz oder teilweise von „Transnuklear“ bezahlte Golf–Neuwagen bestochen worden sind. Mol–Leiter van de Voorde soll laut Protokoll eines ehemaligen „Transnuklear“–Mitarbeiters an die Staatsanwaltschaft zudem mehrmals 10.000 Mark von der Hanauer Firma entgegengenommen haben, was er selbst bestreitet. Auch im AKW Krümmel ist ein Mitarbeiter der Betreiberfirma HEW (Hamburgische Elektrizitätswerke) mit Geschenken aus Hanau bedacht und deswegen im Frühjahr dieses Jahres versetzt worden. „Er hatte mit diesem Transport nichts zu tun“, so HEW–Pressesprecher Altmeppen zur taz. Altmeppen behauptete auch, daß die Unfall–Ladung „definitiv keinen Flüssigabfall“ enthielt, die Fracht–Deklaration sei für die „schlammversetzen festen Abfälle in den Kanistern ausreichend, aber nicht ganz eindeutig“ gewesen. Dem stehen jedoch nicht nur die Aussagen jenes oben erwähnten Hanauer Zeugen und eines ehemaligen Mitarbeiters der „Transnuklear“ entgegen, der sich über die Frachtpapier–Geschichte „nicht happy“ zeigte, sondern auch die eines Krümmel– Mitarbeiters gegenüber einer GAL–Abgeordneten. Dieser gab die Schuld in krümmel „durch Nachlässigkeit“ zu, der für die Deklaration Verantwortliche sei „ermahnt“ worden. Der zum Glück ohne größere Folgen gebliebene Unfall ist ein Hinweis dafür, daß entgegen der Behauptungen der „Transnuklear“ und auch der Staatsanwaltschaft eben doch Sicherheitsbelange durch die Bestechungsaffaire um die Hanauer Firma berührt sind. Der gemeinsame Transport von festen und flüssigen radioaktiven Abfällen ist zwar nicht explizit verboten, gilt aber in der Branche wegen der größeren Gefährdung als höchst unseriös. Ob durch die falsche Deklaration der Ladung noch mehr verborgen werden sollte, bleibt dahingestellt.