Am Ende bleibt ein Achtungserfolg

■ Nach dem Bergarbeiterstreik steht die Gewerkschaft nicht als Verlierer da / Aus Johannesburg Hans Brandt

Das Leben und Arbeiten im südafrikanischen Bergbau hat sich wieder normalisiert. Die Kumpels fahren ein. Zur Normalität gehören aber auch Unfälle. Vermutlich 89 Kumpels kamen bei der Explosion am Montag morgen in der St. Helena–Mine ums Leben. Wenige Stunden zuvor hatte sich die Bergarbeitergewerkschaft NUM mit der Bergwerkskammer nach einem 21 Tage währenden Streik geeinigt. Auf den ersten Blick sieht das Ergebnis mager aus. Aber wie wichtig die zugestandene Hinterbliebenen–Versorgung ist, werdendie Familien der 89 Kumpel erfahren. Die Gewerkschaft ist von den Unternehmern respektiert.

Es gab keine Gewinner beim Streik der etwa 300.000 schwarzen südafrikanischen Bergarbeiter, der am Sonntag zu Ende ging. Doch Cyril Ramaphosa, Generalsekretär der Bergarbeitergewerkschaft NUM, warnte die Bosse, daß dieser Streik nur „eine Probe für 1988“ war. „Organisatorisch war dieser Streik für uns ein wichtiger Erfolg“, sagte Ramaphosa am Sonntag bei einer Pressekonferenz. „Er hat die Grundlage für zukünftige Aktionen gelegt.“ Naas Steenkamp, Präsident der Minenkammer, dem Arbeitgeberverband im Bereich Bergbau, betonte, daß beide Seiten im Streik gelernt hätten, die Entschlossenheit der Gegenseite nicht zu unterschätzen. In privaten Gesprächen halten sich die Vertreter der Bergbauindustrie für die Sieger. Denn die NUM mußte ihre Forderung nach einer 30prozentigen Lohnerhöhung aufgeben. Die schon vor dem Streik am 1. Juli von den Konzernen durchgeführte Erhöhung von zwischen 17 und 23,5 Prozent bleibt endgültig. Das am Sonntag akzeptierte Tarifabkommen sieht lediglich Verbesserungen im Urlaubsgeld und in der Hinterbliebenenrente vor. Die etwa 30.000 Arbeiter, die von den Bossen entlassen wurden, sollen „alle“ wieder eingestellt werden, wie die NUM mitteilte. Doch die Arbeitgeber wollen nur Arbeiter einstellen, deren Arbeitsplätze noch nicht wieder be setzt sind. Arbeiter, deren Personalakte in den Augen der Konzerne nicht einwandfrei ist, könnten auch arbeitslos bleiben. Verhandlungen zu den Wiedereinstellungen werden diese Woche zwischen NUM und Minenkammer stattfinden. Neun Bergarbeiter kamen im Laufe des Streiks ums Leben, darunter zwei, die am Wochenende bei Auseinandersetzungen zwischen Werkschutzleuten und streikenden Arbeitern bei der Kinross Goldmine östlich von Johannesburg getötet wurden. Mehr als 500 Arbeiter wurden der NUM zufolge im Laufe des Streiks verwundet und 400 verhaftet. Zwei regionale NUM–Führer in Klerksdorp, südöstlich von Johannesburg, befinden sich noch immmer in Untersuchungshaft. Der Streik war für beide Seiten sehr kostspielig. Die Arbeiter gaben mehr als 115 Mio. Rand (etwa 104 Mio. Mark) an Lohnzahlungen auf. Die Bergbaukonzerne verloren nach Schätzungen der NUM 250 Mio. Rand (225 Mio. Mark) an Gewinnen. Das Ende des Streiks war schon am Freitag abend abzusehen, als sich Vertreter von NUM und dem größten Bergbaukonzern, Anglo American Corporation (Anglo) sich zu geheimen Verhandlungen in einem Johannesburger Hotel trafen. Das NUM–Angebot zu weiteren Verhandlungen kam für den Anglo–Sprecher Bobby Godsell offenbar überraschend. Noch am Mittwoch hatten die Kumpels in einer Urabstimmung ihre Entschlossenheit zum Ausdruck gebracht, für die Durchsetzung ihrer Lohnforderung weiterzustreiken. Nur wenige Stunden vor Beginn der Verhandlungen rief er den Manager des Hotels an, um kurzfristig einen Versammlungsraum für ein „historisches Ereignis“ zu buchen. Die NUM hatte sich entschlossen, die Gespräche wieder aufzunehmen, nachdem die Zahl der Entlassungen von streikenden Arbeitern Mitte letzter Woche drastisch zugenommen hatte. Der Einschätzung der NUM nach waren die Arbeitgeber nun darauf aus, die Gewerkschaft durch schrittweise Massenentlassungen zu zerstören. Deshalb, so Ramaphosa, war ein taktischer Rückzug vonnöten, um der NUM auch im nächsten Jahr noch die Möglichkeit zu geben, einen großen Streik durchzuführen. Tatsächlich hat der Streik die Gewerkschaft nicht nachhaltig geschwächt. Möglicherweise gewann die NUM sogar weitere Mitglieder hinzu, denn immerhin 100.000 der streikenden Arbeiter waren nicht NUM–Mitglieder. Zudem waren die 300.000 streikenden Arbeiter in weit auseinanderliegenden, von der Außenwelt abgeschnittenen Bergwerken in den Ausstand getreten. Dennoch hielten sie den Streik mit beachtlicher Disziplin fast drei Wochen lang durch. Die NUM mußte allerdings auch Schwächen erkennen. In den Bergwerken des zweitgrößten Konzerns „Gold Fields of South Africa“ (GFSA) blieb der Streik ohne Auswirkung, weil das Management bisher ein Eindringen der Gewerkschaften verhindern konnte. Dort will die Gewerkschaft im nächsten Jahr besonders intensiv auf Organisation setzen. Auch auf die Entlassungen durch die Arbeitgeber konnte die Gewerkschaft bisher keine Antwort finden. Es bleibt gerichtlich zu klären, ob die Entlassungen überhaupt rechtmäßig waren. Die südafrikanische Regierung hatte sich während des Streiks zurückgehalten. Doch wie die Zeitung City Press am Wochenende berichtete, hatte die südafrikanische Zentralbank anfang letzter Woche eine vertrauliche Anweisung an die Devisenabteilungen der Handelsbanken geschickt. Darin wurde angeordnet, daß für die NUM bestimmte Gelder aus dem Ausland nicht ausgezahlt werden sollten. Höchstwahrscheinlich hätte die Regierung auch direkter eingegriffen, wenn der Streik noch länger angedauert hätte.