Das ganze Saarland schwärmt von Honnie

■ Saarlands Erster Dachdecker (SED) kommt / Presseorgane sollen bis zu 20.000 DM für Fensterplätze bezahlt haben / Junge Union will eine „kleine DDR“ in Wiebelskirchen aufbauen / Honecker–Schwester floh vor dem Trubel nach Ost–Berlin

Aus Saarbrücken Felix Kurz

Hotelbetten sind in der Zeit vom 9. bis 10. September in Saarbrücken und Umgebung schon lange nicht mehr zu buchen. Die saarländische Staatskanzlei hat vorsichtshalber für den Ansturm der Journalisten zum Besuch des DDR– Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker, die Plätze reservieren lassen. Allein 148 DDR–Journalisten bringt SED–Chef Honecker mit 2.000 sind in Bonn akkreditiert. Um den riesigen organisatorischen Aufwand zu bewältigen, hat sich die Staatskanzlei sogar den Pressesprecher des Kultusministers ausgeliehen. Keine Stippvisite eines Staatsoberhaupts hat in dem kleinen Land bislang für derartige Furore gesorgt. Bereits kurz nach Bekanntwerden des Besuchs meldete sich die Bundesluftwaffe auf dem Saarbrücker Flughafen Ensheim an und probte touch–and–go. Das Manöver brachte der Flughafengesellschaft gleich ein paar tausend Mark ein. Die Staatskanzlei erwarb für den Besuch eigens einen neuen 26 m langen roten Teppich. Immerhin war dazu die gewichtige Grundsatzfrage für das hoch verschuldete Land zu klären, ob man einen solchen Teppich nicht besser leihen sollte. Gestern nun wurde endlich der Besuchsplan bekanntgegeben. Pünktlich um 19.10 Uhr am 9.9. soll Honnie mit der Bundeswehr– Sondermaschine „Otto Lilienthal“, einer Boeing 707, in Ensheim hereinschweben. Komplett werden das saarländische Kabi nett und Oskar Lafontaine den langersehnten Gast noch auf dem Flughafen bei den Klängen der Bergkapelle empfangen. In Ensheim steigen dann Oskar und Ede in einen Hubschrauber um, und gemeinsam geht es dann zum Gästehaus der Dillinger Hüttenwerke AG. Dort nämlich, und nicht etwa im Haus seiner Schwester, wird der gebürtige Saarländer Ede Honecker und seine Crew untergebracht werden. Das Haus der Honecker– Schwester, Gertrud Hoppstädter, die noch im Honecker–Geburtsort Wiebelskirchen, heute ein Stadtteil von Neunkirchen, lebt, ist seit Wochen von Journalisten belagert. Sie hat sich seit längerem aus dem Staub gemacht und besucht derzeit Ost–Berlin. Selbstverständlich will der 75jährige Honecker sowohl das Grab seiner Eltern als auch seine Schwester besuchen. Das letzte Mal war er vor mehr als vier Jahrzehnten in seiner saarländischen Heimat, laut Landesarchiv Saarbrücken vom 26. Juni bis 4. Juli 1947. An seinem Geburtshaus in der Max–Braun– Straße, früher Karlstraße, wird der Gast und Saarländer nur vorbeifahren. Für die „harmlosen“ Bürger gegenüber dem Haus von Honeckers Schwester ist die Visite schon jetzt zu einem einträglichen Geschäft geworden. Zwischen 5.000 und 20.000 DM sollen Presseorgane für Fensterplätze berappt haben. Daß Erich H. nach wie vor Saarländer ist, davon ist man hüben und drüben fest überzeugt. „Ein Saarländer hat immer Heimweh, egal wie lange und wie weit er von zu Hause weg ist“, heißt ein Sprichwort. Und in der DDR heißt der große Vorsitzende bereits „SED, Saarlands Erster Dachdecker“. Honnie hat im Saarland immerhin eine Dackdeckerlehre erfolgreich abgeschlossen. Der 93jährige Gewerbeoberlehrer a.D. Friedrich Müller kann sich noch genau an seinen Schüler erinnern. Honecker will ihn, den Lehrer, im Unterricht 1928 sogar gefragt haben, ob er es denn für möglich halte, daß die Kommunisten in Deutschland mal die Macht übernehmen könnten. Er habe darauf geantwortet: „Unmöglich ist das nicht. Wenn euch das Volk wählt, dann seid ihr dran.“ Ganz anders bereitet sich die JU auf den Honecker–Besuch vor. Sie will eine „kleine DDR“ mit Mauer und Stacheldraht auf einer Fläche von 50 Quadratmeter auf dem Wiebelskirchener Marktplatz aufbauen. Zwei Meter soll der Zaun hoch werden und ehemalige DDR–Häftlinge wollen dort in originalgetreuen Nachbildungen von Häftlingskleidern und Uniformen der Nationalen Volksarmee die Saarländer über die DDR „informieren“. Wichtige politische und die Wirtschaftsbeziehungen zwischen dem Saarland und der DDR betreffende Gespräche werden gleich zwei Delegationen führen, nicht zu vergessen „Oskar“ und „Erich“. Und im Vorfeld des Besuchs hat bereits Asko–Chef Helmut Wagner bekanntgegeben, daß man überlegt, die südkoreanischen Produktionsstätten der Adler–Werke, die zu Asko gehören, in die DDR zu verlagern. Immerhin beläuft sich das Volumen des Saar–Exports in die DDR derzeit auf rund 232 Mio. DM, und man will eine Verdopplung innerhalb der nächsten Jahre erreichen, heißt es in der Staatskanzlei. Nur eine Frage blieb auch gestern noch unbeantwortet: Wer bezahlt Erich Honecker das Begrüßungsgeld von 100 DM?