Frankfurter Börneplatz geräumt

■ Eine Hundertschaft Bereitschaftspolizei hat 30 Besetzer des ehemaligen Judenghettos weggetragen / Oberbürgermeister Brück will Diskussion um Erhalt der Judengasse mit einem Polizeieinsatz beenden

Von M.Moos/Th.Österreicher

Frankfurt (taz) - Eine Hundertschaft Bereitschaftspolizei beendete am Mittwoch morgen überraschend die Besetzung des Frankfurter Börneplatzes. Die 30 Besetzer aus den Reihen der Jüdischen Gruppe, der Grünen und der SPD wurden von Polizeibeamten weggetragen und zum großen Teil nach der Feststellung der Personalien wieder freigelassen. Der Antrag auf unverzügliche Räumung wurde von Oberbürgermeister Wolfram Brück (CDU) und von den Frankfurter Stadtwerken gestellt, die auf dem Börneplatz ein neues Kundenzentrum errichten wollen. Das „Bündnis zur Rettung des Börneplatzes“ wollte mit der am vergangenen Donnerstag begonnen Besetzung verhindern, daß durch Grabungen weitere Zerstörungen an den Fundamenten des alten jüdischen Ghettos vorgenommen werden. OB Brück hatte am Montag noch zugesichert, daß nichts passiere, solange er auf seinen Brief an „gesellschaftlich relevante Gruppen“ (u.a. Kirchen, Jüdische Gemeinde und Parteien) keine Antworten erhalten habe. In diesem Brief hatte Brück gebeten, mäßigend auf die Besetzer einzuwirken. Der Spaltungsversuch des OB schlug aber fehl. Am Sonntag wurden auf dem besetzten Platz unter anderem der evangelische Dekan Nistan und der hessische DGB–Vorsitzende Jungmann gesichtet. Professor Micha Brumlik, Mitglied der „Jüdischen Gruppe“ und seit Donnerstag vergangener Woche unter den Platzbesetzern, sagte bei einer spontanen Kundgebung vor dem Frankfurter Rathaus, Brück sei „ein einsamer Mann, alleingelassen von den Menschen der Stadt, unterstützt nur noch von den Hardlinern in der CDU“. Den Polizeieinsatz vom frühen Morgen wertete Brumlik als „Zeichen politischer Schwäche und Düpierung der großen gesellschaftlichen Gruppen in Frankfurt“. Neben SPD und Grünen lehnen auch die Kirchen, die Gewerkschaften und sogar die FDP die Pläne des CDU–geführten Magistrats zur Bebauung des Börneplatzes ab. Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Frankfurts, Iganz Bubis, bedauerte gestern im Hessischen Rundfunk, daß man nicht rechtzeitig Einspruch gegen die bereits seit dem Frühjahr laufenden Arbeiten eingelegt habe. Die Grünen–Stadtverordnete Manon Tuckfeld warf dem Oberbürgermeister vor, die Tradition der Unterdrückung, von der die Ruinen des jüdischen Ghettos zeugten, fortzusetzen. Sie forderte, „die Zerstörung des Judenghettos abzustellen, bevor die Diskussion über dessen Bedeutung in dieser Stadt abgeschlossen ist“. Aus einer geplanten Diskussion mit OB Brück im Anschluß an die Demo zum Rathaus wurde erwartungsgemäß nichts. Rathauspförtner sperrten rechtzeitig die Türen des Frankfurter Römers ab. Nicht einmal die Stadtverordneten von SPD und Grünen erhielten Zutritt. Oberbürgermeister Brück (Micha Brumlik: „Der Mann fürs Grobe“) nannte die Räumung eine „angemessene Reaktion auf Rechtsbrüche“ und zog Vergleiche zum Hüttendorf der Startbahn–West–Gegner. Eine Rolle bei der Entscheidung zur Platzräumung hat seinen Angaben zufolge die Position der Kirchen und der acht Jüdischen Gemeinden Frankfurts gespielt, die sich auf telefonische Nachfrage Brücks am Dienstag nachmittag geweigert hatten, die Besetzer zum Verlassen des Areals aufzufordern. Der OB ließ keinen Zweifel daran, daß die Grabungsarbeiten nach der „Sicherung“ des Geländes sofort weitergehen werden. Zugleich bekundete er seine Gesprächsbereitschaft „mit allen Gruppen“, machte aber deutlich, daß es lediglich Gespräche über die Art der Platzgestaltung, nicht dagegen über das Ausmaß geben werde. Heute tagt der Kulturausschuß der Stadt, dem Dezernent Hilmar Hoffmann einen Bericht über den Stand geben wird. Gegen die Besetzer wurde Strafantrag wegen Hausfriedensbruchs gestellt. Der Bretterzaun rund um den Börneplatz wird seit gestern von Bereitschaftspolizisten bewacht. Allem Anschein nach werden sich die Frankfurter daran gewöhnen müssen, daß der Börneplatz in nächster Zeit zur bewachten Polizeifestung wird. Inzwischen wird spekuliert, zur „Sicherung“ der Baustelle solle der Platz mit einem „stabileren Zaun“ umgeben werden.