Japans Banken erobern den Weltkapitalmarkt

■ Unter den Top Ten der großen Kreditinstitute stellt das Inselreich bereits sechs Banken / US–Banken aufgrund sinkenden Vertrauens auf hintere Plätze gerückt

Von Enrique Dussel

Die seit den achtziger Jahren verstärkte Entwicklung der japanischen Banken scheint unaufhaltsam. Japans Geldhäuser scheinen die US– und europäischen Banken für die nächste Zukunft hoffnungslos überrollt zu haben. Seit den sechziger Jahren sind Arbeits– und Kapitalproduktivität in Japan um ein Vielfaches höher als in den USA oder Europa. In den siebziger Jahren drückt sich diese Bewegung unter anderem in den steigenden Leistungsbilanzüberschüssen Japans aus, die von 1976 bis 1986 von 3.7 Mrd. US–Dollar auf 93 Mrd. US–Dollar stiegen und 1987 nach Schätzungen die 100 Mrd. US–Dollar Grenze überschreiten sollen. Dabei ist der Anteil Japans am Welthandel seit 1958 von drei Prozent auf ca. elf Prozent in den achtziger Jahren angewachsen und 30 Prozent der japanischen Produktion ist in das Ausland verlagert worden. Hinzu kommt, daß Japan 1985 die höchsten privaten Nettoersparnisse auf der Welt aufweist: 15,1 Prozent des BIP, im Vergleich zu 10,3 Prozent in der BRD und 6,5 Prozent in den USA. Die japanischen Giganten in den achtziger Jahren Dieser Transnationalisierungsprozeß der japanischen Produktion erforderte in den siebziger und achtziger Jahren eine gigantische Umwälzung des Kredit– und Währungssystems. So stellt das United Nations Centre on Transnational Corporations (UNCTC) fest, daß 76 Prozent der gesamten Einlagen der 50 großen transnationalen Banken in 1981 nur sechs Industrieländer gehörten. Die Einlagen Japans an den 50 Banken erhöhte sich von 16 Prozent (1965) auf 28 Prozent (1978), dagegen sank der Anteil der US–Banken von 42 auf 15 Prozent. Diese Entwicklungen spitzten sich in den achtziger Jahren durch die „Zwillingsdefizite“ der USA (Handelsbilanz– und Haushaltsdefizit) und der Verschuldungskrise der Entwicklungsländer zu. Die hohe Liquidität der japanischen Banken ermöglichte zum großen Teil die Finanzierung der US–Defizite, indem sie Schatz– und Wertpapiere „en gros“ aufkauften, so daß sie bis 1986 Ansprüche auf über 100 Mrd. US– Dollar der US–Regierung besaßen. Der Ausbruch der Verschuldungskrise der Entwicklungsländer 1982 führte gleichzeitig zu ei nem Absicherungsprozeß (securitization) der transnationalen Banken, zu einem Rückgang der traditionellen Formen der Kreditvergabe und zur Entwicklung von „Finanzinnovationen“ (zum Beispiel NIFS und verschiedene Formen von „swaps“). In diesen Prozessen auf dem kapitalistischen Weltmarkt erwiesen sich die japanischen Banken als die konkurrenzfähigsten. Wie aus der Tabelle zu erkennen, befinden sich 1986 unter den zehn größten transnationalen Banken der Welt sieben japanische. Die Einlagen der größten fünf japanischen Banken entsprechen der gesamten Verschuldung der Entwicklungsländer! Unter diesen Titanen befinden sich 1986 „zusätzlich“ nur eine US–Bank und zwei französische Banken. Noch 1970 stellten die USA sechs der zehn größten Banken, gefolgt von zwei britischen und jeweils einer französischen und japanischen Bank. Dabei stehen die japanischen transnationalen Banken am Anfang ihrer Entwicklung, so die UNCTC. Im Gegensatz zu den US– und europäischen Banken ist der Anteil der im Ausland Beschäftigten und besitzenden Filialen und Tochtergesellschaften sehr gering, womit sich noch große Expansionsmöglichkeiten ergeben könnten. Dadurch sind die Erwartungen des kapitalistischen Weltmarktes an die japanischen Banken um so höher. Rund 50 Prozent der Emissionen auf den Euromärkten sind an Japaner gerichtet, ermittelte die Sumitomo Finance International in London: 20 japanische Institutionen kontrollieren Einlagen von über 553 Mrd. US–Dollar, eine weit verstreutere Gruppe von Unternehmen besitzt ein ähnliches Einlagevolumen. Bis Mitte der achtziger Jahren schien „das Spiel“ für die Industrieländer auf dem Weltmarkt aufzugehen: Die USA, deren Verpflichtungen seit 1978 um 627 Mrd. US–Dollar gestiegen sind, versichern die besten Verwertungsbedingungen auf dem Weltmarkt, Japan und Europa stopfen durch Kapitalexporte diese Lücken. Der politische Druck der verschiedenen Regierungen beschleunigte diese Entwicklung: „Deregulierung“ der Märkte hieß das Stichwort, unter dem Mindesteinlagen der Banken, Finanzinnovationen und die Transnationalisierung des Kredit– und Währungssystems propagiert wurde. Die Unsicherheit der transnationalen Banken und ihrer privaten Anleger gegenüber den USA, ihre Hegemonialmacht weiter aufrechtzuerhalten, drückt sich unter anderem im sinkenden Anteil des US–Dollar an den Euromärkten aus: In den siebziger Jahren machte er ca. 70 Prozent aller Transaktionen aus, 1987 fiel sien Anteil auf unter 40 Prozent. Zugleich scheint die Maxime der japanischen transnationalen Banken „Diversifizierung“ zu heißen, was in der heutigen Bankensprache bedeutet: Aus der Verschuldungskrise der Entwicklungsländer von 1982 lernen, weder große Borger noch Schuldner sind erwünscht, Liquidität, Stabilität und Profitabilität müssen gewährleistet sein. Das bedeutet unter anderem, daß japanisches Geldkapital auf den Kredit– und Währungsmärkten für Entwicklungsländer und für die USA selbst nur unter sehr viel höheren Verwertungsbedingungen bereit stehen wird. Der Zinsanstieg in den USA vor einigen Wochen setzte ein Signal in diese Richtung. H.Tonomura, Präsident von Nomura, das größte Wertpapierhaus Europas: „In diesem Jahr (1987) wird es mehr Möglichkeiten geben, erfolgreich zu sein, doch das Geschäftsrisiko wird lebenswichtig sein. Bis jetzt hat es für uns gut funtioniert.“ In diesem Zusammenhang ist seit Mitte der achtziger Jahren ein zunehmender Kapitalexport der transnationalen japanischen Banken in die Länder des „Pazifischen Beckens“ und eine Abwendung des US–Dollars (steigender Anteil der Yen–Transaktionen) festzustellen. Die USA werden jedoch, nach optimistischen Aussagen, in den nächsten 10 Jahren keine Leistungsbilanzüberschüsse erzielen könne. Bis jetzt zahlen Entwicklungsländer (druch Nettokapitalexporte) und Industrieländer die Defizite der „über ihre Kosten lebenden“ ISA. Wie lange noch?