Treibt die UN–Atombehörde in den Konkurs?

■ Vor allem die USA, die UdSSR und Japan bedrohen durch miese Zahlungsmoral die Arbeit der Nuklearlobbyisten / Wenn das so weitergeht, können schon Ende November den 2.000 Beamten der „IAEA“ in Wien die Gehälter nicht mehr gezahlt werden

Wien/Freiburg (taz) - Nagen die UNO–Atomiker bald am Hungertuch? Nur wenige Wochen vor der diesjährigen Generalkonferenz der Internationalen Atomenergie–Behörde (IAEA) in Wien, auf der gleichzeitig deren 30. Geburtstag gefeiert werden soll, steht die UNO–Spezialorganisation, erstmals seit ihrer Gründung im Jahre 1957, vor akuten und schwerwiegenden Geldproblemen. Dies geht aus einem kürzlichen Interview des schwedischen IAEA–Chefs Hans Blix mit der Wiener Tageszeitung Die Presse hervor. Für die Finanzmisere machen die IAEA–Buchhalter die miese Zahlungsmoral der großen Industriemächte verantwortlich, allen voran der USA, der UdSSR und Japans. Allein die USA seien mit ihren Beitragszahlungen um satte 34 Millionen Dollar im Rückstand. „Wenn das so weitergeht“, prophezeite IAEA– Sprecher Meyer gegenüber der taz, könnten den knapp 2.000 IAEA–Beamten bereits Ende November ihre Gehälter nicht mehr ausbezahlt werden; zahlreiche Programme im Bereich der technischen Hilfe (etwa Bestrahlungsanlagen in der Dritten Welt, z.B. zur Trinkwasseraufbereitung, Lebensmittelkonservierung, Bekämpfung der Tse–Tse–Fliege) müßten dann gekürzt oder verschoben werden. Die Sicherheits– und Überwachungsprogramme sollen nicht betroffen sein. Die Bundesrepublik, so beeilte sich ein IAEA–Insider gegenüber der taz zu betonen, zähle aber ebenso wie beispielsweise die kleine Schweiz zu den braven und pünktlichen Zahlern. Der Beitrag der BRD liegt zwischen 8,5 und 9 knapp 180 Millionen Dollar. Die Flaute in der IAEA–Kasse ist symptomatisch für die Finanzmisere des ganzen UNO–Systems und Ausdruck einer politischen Krise. Seit einiger Zeit schon stinkt den westlichen Industriestaaten, die mit ihren Beiträgen hauptsächlich den gewaltigen UNO–Apparat finanzieren (allein die EG–Staaten bestreiten knapp ein Drittel des Gesamthaushaltes), daß die Mehrheitsverhältnisse auf UNO–Konferenzen aufgrund der offensiver auftretenden Dritte–Welt–Länder umgekehrt proportional zum Beitragsaufkommen ausfallen. „Aus Unzufriedenheit“ über die „hohe Politisierung“ einiger UNO–Spezialorganisationen (als Paradebeispiel gilt der Clinch um die UNESCO) und weil sie immer öfter überstimmt wurden, so erklärt ein Genfer UNO–Funktionär, hätten die USA eigenmächtig ihren festgelegten UNO–Beitrag von 25% auf 20 Jahresetat) herabgesetzt. „Wir sind ein Opfer des US–Systems geworden“, jammert Hans Blix. Dabei gehört die IAEA gerade zu jenen UNO–Organisationen, mit denen die Männer im Weißen Haus eigentlich sehr zufrieden sein müßten. Satzungsgemäßer Auftrag der IAEA ist es, die zivile Verbreitung der Atomenergie zu fördern und gleichzeitig deren militärischen Mißbrauch zu verhindern - angesichts der technologischen Basis eine aberwitzige Konstruktion. Seit 1968 obliegt der IAEA auch die Überwachung des Vertrages über die Nicht–Weiterverbreitung von Atomwaffen (Atomwaffensperrvertrag). Im Jahre 1986 haben IAEA–Kontrolleure in 57 Ländern insgesamt 595 von 901 ihnen gemeldeten und zugänglichen Nuklearbetrieben unter die Lupe genommen (oft allerdings nur nach Aktenlage), und gepeilt, ob Kernmaterial zu anderen als friedlichen Zwecken genutzt wurde. Dabei stießen sie auf immerhin 270 „kleinere Abweichungen“, von denen jedoch „die meisten, eigentlich alle, zufriedenstellend erklärbar“ gewesen seien. Seit ihrer Gründung hat sich die IAEA, von den Atomikern in Ost und West gleichermaßen anerkannt, zu einer regelrechten Promotion–Agentur der Atomenergie entwickelt. Vor allem nach der Tschernobyl–Katastrophe diente die bis dahin öffentlich fast unbekannte Agentur der Atomlobby als publizistischer Ausputzer, der immer wieder die Notwendigkeit des weltweiten Ausbaus der Atomenergie bescheinigte und vom vermeintlich neutralen UNO–Roß herab die Sicherheit der Technologie bescheinigte. Kein Wunder also, daß die USA speziell für die IAEA ihren Beitragssatz bei 25 dem Papier ist alles in Ordnung“, bestätigen IAEA–Beamte in der Wiener Zentrale. Eben ist dort ein Telegramm eingegangen, in dem Reagan den UNO–Atomikern zum Dreißigsten „Glück und Gedeihen“ für die Zukunft wünscht. „Doch das Geld hat er nicht mitgeschickt“, meckert einer von ihnen. Thomas Scheuer