Rust soll acht Jahre sitzen

■ Staatsanwalt plädiert auf acht Jahre Gefängnis / Hamburger Sportflieger in allen Anklagepunkten für schuldig befunden / Aussagen von Moskauer Augenzeugen der Landung auf dem Roten Platz

Moskau (afp/taz) - Die Staatsanwaltschaft hat am Donnerstag vor dem Obersten Gerichtshof der Sowjetunion acht Jahre Gefängnis für den deutschen Sportpiloten Mathias Rust gefordert. Staatsanwalt Wladimir Andrejew befand den 19jährigen in allen drei Anklagepunkten - illegale Einreise, Verletzung der internationalen Luftverkehrsregeln und schweres Rowdytum - für schuldig. Rust habe mit der Landung auf dem Ro ten Platz ein Nationalheiligtum der UdSSR geschändet. „Rust ist ein Rowdy“, sagte der Ankläger. Am zweiten Verhandlungstag des Prozesses gegen Mathias Rust stand gestern zuvor die Vernehmung von Augenzeugen im Mittelpunkt, die Rusts illegale Landung auf dem Roten Platz in Moskau beobachtet hatten. Sechs Zeugen, darunter ein Verkehrspolizist und ein Mechaniker, sagten aus, Rust habe sofort nach seiner Landung am 28. Mai in Deutsch und Englisch über seine selbstgestellte Friedensmission gesprochen. Staatsanwalt Wladimir Andrejew, der den Angeklagten offenbar auf den Anklagepunkt des „schweren Rowdytums“ festnageln wollte, rief sieben Personen in den Zeugenstand, nach deren Aussagen Rusts Anflug auf den Roten Platz die Fußgänger in Angst und Schrecken versetzte. Dagegen gab ein anderer Zeuge, der bei Rusts Landung an einem entfernteren Punkt des Roten Platzes gestanden hatte, zu Protokoll, er sei eher verdutzt als erschreckt gewesen. „Ich merkte nicht, daß er ängstlich war“, beschrieb der Zeuge Rusts Zustand, „er war ruhig“. Auf die Frage des Richters, ob er sich der Gefahr bewußt gewesen sei, in die er sich und die Menschen auf dem Platz im Zentrum Moskaus gebracht habe, antwortete Rust: „Ich wußte es.“ Ein Moskauer Polizist beschrieb vor Gericht, wie es ihm gelang, den Straßenverkehr zu stoppen, als er merkte, daß die Cessna des Piloten tatsächlich landen wollte. Der als internationaler Flugexperte gehörte Zeuge Anatoli Brjulow sagte vor Gericht, zehn Passagierflugzeuge seien im Anflug auf den Moskauer Flughafen Scheremetjewo gewesen, als Rusts Sportmaschine in rund 600 Metern Flughöhe in die „Exklusivzone“ des internationalen Flughafens eingedrungen sei. Brjulow teilte nicht mit, wie nahe Rusts Cessna anderen Maschinen gekommen war. Unterschiedliche Angaben machten die Zeugen der Anklage darüber, wie hoch Rust über dem Roten Platz kreiste: Zwischen drei und zehn Meter wurden geschätzt. Die Urteilsverkündung wird bereits für Freitag mittag erwartet. kno