Palastrevolution im ostafrikanischen Burundi

■ Unblutiger Militärputsch in einem der ärmsten Länder Afrikas / Präsident war im Ausland / Burundi war 1972 Schauplatz eines der blutigsten Massaker in der Geschichte Afrikas / „Komitee für nationale Errettung“ ernennt Major Pierre Buyoya zum neuen Staatschef

Nairobi (ap/wps/taz) - Der Präsident des ostafrikanischen Staates Burundi, Jean–Baptiste Bagaza, ist am Donnerstag vom Militär gestürzt worden, während er sich bei der Konferenz frankophoner Staaten im kanadischen Quebec aufhielt. Bagaza ist inzwischen mit einem Linienflugzeug aus Paris kommend in der kenyianischen Hauptstadt Nairobi eingetroffen. Weder in Burundi noch im Nachbarland Ruanda hatte die Verkehrsmaschine der Air France eine Landeerlaubnis erhalten. Wie Radio Burundi aus der Hauptstadt Bujumbura meldete, bildeten die Putschisten ein „Komitee für die nationale Errettung“ unter der Leitung des Heeresmajors Pierre Buyoya, der zum neuen Staatschef ausgerufen wurde. Belgische Burundi–Kenner bewerten den Putsch als „Palastrevolution“, da sowohl Buyoya als auch Bagaza dem gleichen Volksstamm angehören. Bagaza war 1976 ebenfalls durch einen unblutigen Staatsstreich an die Macht gekommen. In jüngster Zeit sah sich der von der Sowjetunion und China unterstützte Sozialist zunehmenden Stammesrivalitäten und politischen Schwierigkeiten gegenüber. Auch war sein Verhältnis zur katholischen Kirche gespannt, zu der sich über 60 Prozent der Einwohner bekennen. Burundi, eins der ärmsten Länder der Welt, ist mit einer Fläche von 27.834 Quadratkilometern etwa so groß wie das Bundesland Hessen und mit 4,6 Millionen Einwohnern eines der am dichtesten besiedelten Länder des afrikanischen Konti nents. Das Land war zusammen mit dem benachbarten Ruanda als Ruanda–Urundi von 1884 bis 1916 Teil von Deutsch–Ostafrika. Nach dem ersten Weltkrieg wurde es als „Schutzgebiet“ von Belgien verwaltet, bis es 1962 die Unabhängigkeit erlangte. 85 Prozent der Bevölkerung Burundis gehören dem Bantu–Stamm der Hutu an, die hauptsächlich von der Landwirtschaft leben. Die politische und wirtschaftliche Macht liegt jedoch fast ausschließlich in den Händen der Minderheit der Tutsi, einem Hirtenvolk. Der neue Machthaber Buyoya gehört ebenso wie der gestürzte Präsident Bagaza zu den Tutsi. Burundi ist ein klassisches Beispiel für den in Afrika verbreiteten sogenannten Tribalismus, also die Bevorzugung des eigenen Stammes auf Kosten anderer. Schon immer haben es die Tutsi verstanden, überall ihren Einfluß geltend zu machen: Im Bildungswesen, der Wirtschaft und bei der Vergabe von Beamtenposten. Nur so konnte es ihnen gelingen, als kleine Minderheit die vielen Hutu zu beherrschen. Der Gegensatz zwischen Hutus und Tutsis entlud sich 1972 in einem der blutigsten Massaker in der jüngeren afrikanischen Geschichte. Nach einem von Hutus geleiteten fehlgeschlagenen Staatsstreich wurden über 100.000 Angehörige dieses Stammes mit Billigung der damaligen Regierung systematisch umgebracht, darunter ein großer Teil der Führungsschicht der Hutus. 65 Prozent der Bewohner Burundis bekennen sich zum römisch–katholischen Glauben, acht Prozent sind Protestanten und ein Prozent Muslime. Die restlichen 26 Prozent der Bevölkerung praktizieren traditionelle afrikanische Religionen. Amtssprachen sind Französisch und das einheimische Kurundi. rh