Zahncreme–Industrie schäumt

■ Industrielle sehen Monitor–Sendung über die Schädlichkeit von Zahncremes als „nationale Katastrophe“ / Zusammengerufene Fachleute deklarieren Natriumlaurylsulfat–Anteil von unter zwei Prozent für unbedenklich

Von Klaus–Peter Klingelschmitt

Frankfurt (taz) - Der Industrieverband Körperpflege– und Waschmittel (IKW), in dem fast alle bundesdeutschen Zahncreme–Hersteller organisiert sind, schäumte gestern im noblen Frankfurter Sheraton–Hotel gegen die Verantwortlichen der Monitor–Sendung vom vergangenen Dienstag. Zum Beweis dafür, daß die in der Monitor–Sendung vorgetragenen „Angriffe“ auf die Zahncremeindustrie unhaltbar seien, hatte sich IKW–Sprecher Danzmann ein hochkarätiges Podium zusammentelefoniert. Frau Professor Seichter von der Uni–Hamburg, Professor Bössmann von der Uni–Kiel, der Toxikologe Pro fessor Kemper von der Uni–Münster und der telefonisch zugeschaltete Professor Lange aus Münster wiesen die von Monitor aufgestellte Behauptung zurück: Das TV–Magazin wußte, daß das in den meisten Zahncremes als längerfristig wirkendes Reinigungsmittel verwendete Natriumlaurylsulfat (NLS) zahnfleischschädigend wirke. Den von Monitor demonstrierten Versuch, in dem rote Blutkörperchen von NLS zerstört wurden, bezeichnete Kemper gar als „unhaltbaren Nonsens“. Denn diese Blutkörperchen - so Kemper und Frau Seichter übereinstimmend - würden auch durch Zitronensaft oder durch schlichte Kernseife aufgelöst. Seichter verwies auf Labortests der Hersteller, in denen NLS–Augentests bei Kaninchen vorgenommen worden seien. Dabei habe sich herausgestellt, daß NLS in einer Konzentration von bis zu einem Prozent für die Augenschleimhäute der Versuchstiere „völlig ungefährlich“ gewesen sei. Da die Mundschleimhaut weitaus resistenter sei, blieben bei Zahncremes Konzentrationen von bis zu zwei Prozent erlaubt. Das sah der telefonisch zugeschaltete Professor Lange allerdings anders. Lange wollte den Unbedenklichkeits–Grenzwert bei 1,5 Prozent angesiedelt wissen. Divergenzen in den wissenschaftlichen Einschätzungen ergaben sich auch aus dem Umstand, daß Seichter in eigenen klinischen Versuchsreihen festgestellt hatte, daß jeder zweite Zahnfleischkranke Zahncremes mit hohem NLS–Anteil benutzt hatte. Zuvor hatte Verbandssprecher Danzmann nämlich darauf hingewiesen, daß die Zahncremes mit hohem NLS–Anteil nur einen Marktanteil von zwei Prozent hätten und diese „schwarzen Schafe“ nicht im IKW organisiert seien. Zuguterletzt meinte Seichter schließlich, Monitor habe in seinem Beitrag eine „nationale Katastrophe“ heraufbeschworen habe, die alle Bemühungen um mehr Zahnhygiene zunichte mache. Für die Zahncreme „Ajona“ scheint die letzte Stunde geschlagen zu haben, denn selbst die zahncremefreundlichen WissenschaftlerInnen hielten die NLS– Konzentration von über sechs Prozent bei der „Szene–Zahncreme“ für untragbar.