Kraftwerkslobby reist nach Südafrika

■ Die Technische Vereinigung der Großkraftwerksbetreiber veranstaltet einen Kongreß in Südafrika / Etliche SPD–Mitglieder sind mit von der Partie / Langsam wachsen die Bedenken / Von Petra Bornhöft

Zur Sonderkonferenz Südafrika lädt der südafrikanische Stromerzeugungsgigant ESCOM nach Johannesburg. ESCOM ist Mitglied im Verein der Großkraftwerksbetreiber, zu dem auch bundesdeutsche Energieversorgungsunternehmen gehören. Deren Vertreter referieren über Technologie, die ESCOM gern in der Bundesrepublik kauft. Probleme mit dem Apartheid–Regime haben nicht einmal jene Teilnehmer, die ein sozialdemokratisches Parteibuch in der Tasche haben. Jetzt versucht die Südafrika– Sprecherin der Sozialistichen Fraktion im Europaparlament, Barabara Simons, Druck zu machen.

„Die Reise findet auf jeden Fall statt“ beruhigt eine Dame des Düsseldorfer Reisebüros Euro Lloyd jene Anruferin, die sich für die „Kongreßreise“ nach Johannesburg interessiert. „Gegebenenfalls werden wir das Kontingent der 50 reservierten Plätze bei South African Airways erweitern“, sagt die Dame und empfiehlt, sich bis Ende September anzumelden. Die Anruferin verspricht, mit ihrem Gatten zu überlegen, ob man für zwölf Tage First Class (13.732 DM) oder Business Class (7.184 DM) buchen möchte. Möglich machte dieses Angebot die „Technische Vereinigung der Großkraftwerksbetreiber“ (VGB) in Essen, ein Interessenverband von rund 300 Kraftwerksunternehmen aus 28 Ländern. Auf Wunsch des südafrikanischen Mitglieds ESCOM will der Verein, dem nahezu alle deutschen Energieunternehmen angehören, vom 9.–13. November in Johannesburg eine „Sondertagung“ unter dem Titel „Südafrika 1987“ abhalten. Im Sinne der deutschen Teilnehmer werten die RWE (Rheinisch Westfälische Elektrizitätswerke) die Konferenz „als entscheidenden Beitrag zur Verbesserung der Umweltsituation“. Doch die Pläne könnten durchkreuzt werden. Seit dem Wochenende mobilisiert die Anti–Apartheid–Bewegung nicht mehr allein. Der SPD– und Gewerkschaftsapparat setzt sich in Bewegung. „Wir haben nicht mit soviel Aufsehen gerechnet“, klagt VGB– Geschäftsführer Dr.Ottmar Schwarz, „es ist eine völlig normale Veranstaltung, die dem technisch–wissenschaftlichen Erfahrungsaustausch dient.“ Keineswegs verstoße die VGB–Konferenz gegen UN– oder EG–Sanktionen, die wissenschaftliche und nukleare Zusammenarbeit mit dem Apartheidregime verbieten. Im Gegenteil: „Mit der Diskussion über umweltschutzrelevante Anlagen in Kraftwerken, Sicherheitsaspekte und Ausbildungsfragen“, so Dr.Schwarz, „tun wir der Gesamtbevölkerung in Südafrika einen Gefallen.“ Atomtechnik angeblich kein Thema Energisch bestreitet Dr.Schwarz, Atomtechnologie sei ein Thema der Konferenz. Doch ein Besuch beim einzigen südafrikanischen AKW in Koeberg gehört zum „Grundprogramm“, das durch ESCOM–Cocktailparties und „Anschlußreisen“ in private Wildschutzgebiete oder die Namib–Wüste ergänzt wird. Zwar enthalten die Titel der 28 Vorträge keinen ausdrücklichen Hinweis auf die Atomenergie, aber der Eröffnungsredner Prof. Klaus Knizia, VEW–Vorstandschef, läßt bekanntlich keine Gelegenheit aus, das Atomgeschäft anzuheizen. Auch die Referate über „Trends und Entwicklungslinien der Kraftwerkstechnik“ in der Bundesrepublik, Südafrika, Frankreich und Israel dürften sich kaum auf Kohlekraftwerke beschränken. Bei den Referenten fällt die große Zahl deutscher Ingenieure und Wissenschaftler auf. Unter ihnen Dr. Christian Marnet, Vorstandsmitglied der Düsseldorfer Stadtwerke und der VGB. Marnet hält die Tagung „für reine Routine und technisch gerechtfertigt“. Vermutlich aufgrund des sanften Drucks der Stadt, die über 80 Prozent der Stadtwerke–Aktien verfügt, fühlt der hierzulande bekannte Streiter für die Hochtemperaturtechnologie sich mittlerweile „persönlich überfragt, ob die Veranstaltung politisch klug ist“. Die Koffer will Marnet trotzdem packen, im Gegensatz zu Dr. Manfred Timm, Mitglied der Vorstände von VGB und HEW–Hamburg. Wie der Mann allerdings auf die Refrentenliste geriet, konnte ein HEW–Sprecher der taz nicht erklären. Cocktailparty für die KWU Geheimniskrämerei auch bei Südafrikas industriellen Partnern, deren Ingenieure und/oder Geschäftsführer in Johannesburg auftreten. Auf den kürzlich von Wirtschaftsminister Bangemann an Unternehmen gerichteten Appell zum freiwilligen Investitionsverzicht im Apartheidstaat pfeifen die Firmen. Mit ganzseitigen Anzeigen im Konferenzprogramm kündigen sie weitere „Beiträge zur Festigung der ökonomischen Struktur des Landes“ an (Steinmüller/Gummersbach). Die Kraftwerksunion (KWU) zum Beispiel sieht in der Lieferung von sechs Turbinengeneratoren zwischen 1988 und 1993 „eine sehr gute Ausgangsbasis für weitere Kooperation mit Südafrika“. Welche VGB–Vorstandsmitglieder nach Südafrika zu fliegen gedenken, ist unbekannt. Äußerst uninformiert und überrascht zeigen sich sozialdemokratische Aufsichtsräte bei RWE und VEW. Sofern die Befragten sich überhaupt zu einem Kommentar hinreißen ließen, formulierten Oberstadtdirektoren und Oberbürgermeister fast gleichlautend engagiert gegenüber der taz: „Bevor hier nichts genaues bekannt ist, äußere ich mich nicht.“ Das ließ SPD–MdB Reuschenbach (RWE und Essener OB) ausrichten. SPD und Gewerkschaften geraten in Bewegung Spurlos rauschte an den Parteimitgliedern eine öffentliche Erklärung des SPD–Vorstandssprechers vorbei. Günther Verheugen hatte bereits im Juli die Tagung als „atemberaubenden Skandal“ bezeichnet und war davon ausgeggangen, „daß die Mitglieder der SPD in den Aufsichtsgremien dieses Thema zur Sprache bringen“. Das geschah genauso wenig wie die von MdE Barbara Simons, Südafrika–Sprecherin der Sozialistischen Fraktion im EG–Parlament, geforderten Initiativen von Bundes– und Landesregierungen, die Konferenz zu unterbinden. Während die Bonner Wirtschafts– und Außenministerien hartnäckig schweigen, sieht die Bundesregierung keinen Anlaß, tätig zu werden. „Wir mischen uns nicht in Tagungen der Privatwirtschaft ein“, sagte ein Sprecher des Bundespresseamtes, ohne der taz ein wirklich privatwirtschaftliches Energieversorgungsunternehmen in der Bundesrepublik nennen zu können. Aber auch der SPD–geführten NRW–Landesregierung fällt nichts anderes ein, als an die Moral zu appellieren. „Engagement in Südafrika muß jeder vor seinem Gewissen prüfen“, heißt es aus dem Wirtschaftsministerium, dem bekannt sein dürfte, daß die Landesregierung über die an der VEW beteiligte Westdeutsche Landesbank mehr als nur philosophischen Einfluß geltend machen könnte. Nach mehrmaligem Anfragen entschloß sich am Donnerstag der NRW–Parteivorstand zu einem kritischen Statement. Andere informierten am Wochenende schriftlich die betroffenen Gremien und Aufsichtsräte, die entsprechende Protestbriefe der lokalen Antiapartheidgruppen bisher weitgehend ignorierten. Auch der DGB, der es am Donnerstag noch fertigbrachte, in seinem Organ Welt der Arbeit einen Artikel über die VGB–Konferenz zu publizieren, ohne mit einer Silbe die DGB–Position zu verdeutlichen, will nun aktiv werden. Jürgen Eckel, Afrika–Referent beim DGB–Bundesvorstand: „Mit Hilfe der ÖTV–Mitglieder in den Aufsichtsgremien der Unternehmen wollen wir dahingehend Druck ausüben, daß die VGB ihre Entscheidung zurücknimmt.“ Indirekt erklärte sich dazu der „entsetzte“ geschäftsführende ÖTV– Hauptvorstand am Freitag bereit. Die IG Bergbau und Energie äußerte ihr „Befremden“ gegenüber den VGB–Plänen, man „recherchiert noch die Fakten“. Auf Verlangen der SPD wird sich die Bundesregierung in der nächsten Woche während einer Fragestunde im Parlament äußern müssen, nachdem zuvor eine Anfrage der Grünen formal abgebügelt wurde. Montag abend besprechen Anti– Apartheidgruppen des Ruhrgebietes Aktionen gegen die VGB–Konferenz. 19.30 Uhr, Büro der Grünen, Diekampstr.37, Bochum.