Sri Lanka kommt nicht zur Ruhe

■ Verstärkte Tourismuswerbung / Internationale Hilfsorganisationen bewilligen Finanzspritzen / Weitere Unruhen im Osten / Verhaftungen radikaler Singhalesen im Süden

Aus Colombo Biggi Wolff

„Jetzt können Sie ihren bisher verschobenen Urlaub auf Sri Lanka antreten“ - mit diesem Slogan wirbt seit neuestem die Tourismusbehörde des Landes. Im Bürgerkrieg zerstörte Hotels im Osten der Insel werden wiederaufgebaut, die Straßen von Minen geräumt. Doch auch fünf Wochen nach Unterzeichnung des Friedensabkommens ist die Lage in Sri Lanka alles andere als ruhig. Aus der Ostprovinz werden zahlreiche Zusammenstöße zwischen Singhalesen, Tamilen und der Polizei gemeldet. Aus Protest gegen die jüngsten Angriffe von Singhalesen auf muslimische Volksange hörige hatte die größte tamilische Guerillaorganisation, die LTTE, am Freitag vergangener Woche zum Generalstreik aufgerufen, eine Sympathiewerbung für die Muslims, die 30 Prozent der Bevölkerung in der Ostprovinz ausmachen und denen daher bei der geplanten Volksabstimmung über die Zusammenlegung der Nord– und Ostprovinzen eine entscheidende Rolle zufällt. Die LTTE kritisierte auch die Fortsetzung singhalesischer Siedlungspolitik. Nach offiziellen Angaben sind seit Unterzeichnung des Friedensabkommens 2.100 singhalesische Familien im Osten Sri Lankas angesiedelt worden. Auch aus dem Süden Sri Lankas werden weitere Gewalttaten gemeldet. Am 29. August war ein weiteres Mitglied der Regierungspartei United National Party (UNP) von mutmaßlichen Anhängern der radikalen singhalesischen Partei „Janata Vimukti Peramuna“ (JVP) ermordet worden. Wenige Tage später wurden 150 JVP–Mitglieder wegen Waffenbesitzes festgenommen. Mit der Aushebung der Druckerei der JVP am Donnerstag vergangener Woche hofft die Polizei, den wichtigsten Propaganda–Arm der verbotenen Organisation zerschlagen zu haben. Zahlreiche ausländische Regierungen haben unterdessen ihre Unterstützung des jüngsten Friedensabkommens durch Zusagen finanzieller Aufbauhilfe bekräftigt, allen voran die USA, die bereits über 41 Millionen Dollar bewilligt haben. Das norwegische Rote Kreuz und der Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen haben ebenfalls schnelle Hilfe angekündigt. Seit dem ersten Sep tember ist ein Team der Weltbank im Norden und Osten der Insel unterwegs, um eine Bestandsaufnahme der Zerstörungen zu erstellen. Eine Delegation des Internationalen Währungsfonds (IWF) wird in dieser Woche erwartet. Zur Zeit halten sich die höchsten Regierungsbeamten der Nord– und Ostprovinzen in Colombo auf, um mit dem Ministerium für Wiederaufbau die Verteilung der eingehenden Hilfsgelder zu koordinieren. Noch immer liegen keine endgültigen Entscheidungen über die Bildung einer Interimsregierung vor, die die Nord– und Ostprovinzen bis zu den Wahlen zu den Provinzräten im Dezember verwalten soll. Am Wochenende hielt sich der Finanzminister Ronnie de Mel zu einer zweiten Gesprächsrunde mit der indischen Regierung in New Delhi auf. Dort waren die Aufgaben der Interimsregierung sowie der zukünftigen Provinzräte diskutiert worden. Neben dem indischen Botschafter in Colombo, S.Dixit, haben auch Vertreter der gemäßigten Tamilenpartei „Tamil United Liberation Front“ (TULF) und der LTTE an den Beratungen teilgenommen. Der politische Sprecher der LTTE, Mahathaya, hatte jedoch erst kürzlich gegenüber der indischen Tageszeitung The Hindu erklärt, seine Organisation hege nicht die Absicht, sich an einer Interimsregierung zu beteiligen. „Wir sehen im Moment keine Notwendigkeit, uns als politische Partei registrieren zu lassen, sagte er.