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Handwerk und Kritik

■ Verwunderung beim Internationalen Filmfestival in Venedig über einen Preis für „Einbrecher“ von Ogorodnikov

Aus Venedig Arno Widmann

Ein erster Preis dieser Filmfestspiele ist vergeben. Die Jury der Internationalen Vereinigung der Filmpresse hat ihr Urteil gesprochen: Zum besten Film im Programm „Internationale Woche der Kritik“ hat sie den „Einbrecher“ des Regisseurs Valerij Ogorodnikov gekürt. Man mag über die in der „Woche der Kritik“ gebotenen Filme noch so abfälliger Meinung sein; aber nur Berufskritiker, die in den Kinosälen der Welt erblindet sind, können auf die Idee kommen, diese von einer verlogenen Geschichte mühsam zusammengehaltene Aneinanderreihung der Auftritte einiger Musikgruppen sei das beste dieser Schau gewesen. Beim Lesen der Arbeiten der Kollegen wird mir jeden Tag mein dilettantischer Status vor Augen geführt. Der von mir bisher sehr geschätzte, aber wenig gelesene Tullio Kezich, einer der besten Kenner der Filmgeschichte und ganz sicher der Opinionleader der italienischen Filmkritik, bringt es fertig, von den bisher im Wettbewerb gezeigten Filmen keinen einzigen schlecht zu finden. Nicht einmal ein „mittelmäßig“ ringt er sich ab - alle Filme sind „gut“ oder „sehr gut“. So großherzig er sich gegenüber der Durchschnittlichkeit zeigt, so streng wird er bei Brian de Palma. „Ein großartiges Talent, verschleudert für Kino– fast–food, erklärt er. Eine Berufskrankheit, denke ich. Fachidiot nannten wir vor inzwischen 20 Jahren Leute, die vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sahen. Es gibt Schneiderinnen, die prüfen ein Kleid nur darauf, ob Nähte und Säume stimmen. Für Stoff und Schnitt sind sie blind geworden in einer langenKarriere, die sie darüber aufgeklärt hat, daß die meisten Kundinnen ein Kleid wollen, das möglichst wenig kostet und möglichst lange hält. Das ist der Gesichtspunkt des Handwerkers in allen Gewerben. In der Kunst dagegen bestimmen Lug und Trug, ihr Element ist die Täuschung. Sie kommt vom Jahrmarkt und nicht aus den Hörsälen. Immerhin teilt einer meine Begeisterung über Brian de Palmas „The Untouchables“: Robert Sivestri von „Il Manifesto“. Es freut mich, daß die Linksaußen sich einig sind.

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