Konsens gegen Linke

■ Die Türkei packt ihre alten Politiker aus

Nun dürfen sie wieder, die alten Politiker: Demirel, Ecevit, vielleicht sogar Türkes und Erbakan, die die Militärs von der politischen Bühne verbannt hatten. Es scheint, als tilge die Türkei langsam die Spuren des letzten Putsches. Aber worüber da am Sonntag abgestimmt wurde, war weder die Entscheidung für die Demokratie, wie die Opposition vorgibt, noch die für oder gegen Blutbäder wie in den siebziger Jahren, wie Ministerpräsident Özal drohte. Für die meisten Wähler war es eine Entscheidung zwischen Potentaten: für oder gegen Demirel, für oder gegen Özal. Mit politischen Strukturen hatte das nichts zu tun. Als sich die Militärs am 12. September 1980 an die Macht putschten, legitimierten sie sich damit, daß sie dem Blutvergießen zwischen den Rechten und den Linken ein Ende bereiten und das Land befrieden wollten. Sieben Jahre sind seitdem vergangen, die fundamentalistischen Moslems sind auf dem Vormarsch, das Kapital hat in der türkischen Wirtschaft gewütet wie ein freier Fuchs in einem freien Hühnerstall - dazu brauchte man keine Demokratie. Nun können Demirel und Ecevit zurück, sie werden keinen Schaden anrichten. Aber all die, die damals eine andere politische Entwicklung erhofften, die Linken, die Gewerkschafter, die Intellektuellen, sie sind zu Tausenden im Knast gelandet und sitzen dort immer noch, andere sind gefoltert und ermordet worden, Hunderte leben im politischen Exil. Für sie hat das Referendum nichts geändert. Wie es in der türkischen Gesellschaft nie einen Platz für Linke gegeben hat, den sie sich nicht mit Gewalt erkämpft hätten, so werden sie auch jetzt wieder von der gesells schweigen müssen. Antje Bauer