NS–Prozeß in Bonn eröffnet

■ Ex–SS–Hauptsturmführer und späterer Ministerialrat der Beihilfe zum Mord an 220 Juden angeklagt / Angeklagter bekennt sich zur „moralischen Verantwortung“ / Angeklagter war Chef der Sicherheitspolizei

Bonn (dpa) - Zum Auftakt einer der letzten NS–Prozesse hat sich am Montag der 78jährige der Beihilfe zum Mord an 220 Juden angeklagte Ministerialrat a.D. im Bundeswirtschaftsministerium, Modest Alfred Leonhard Graf von Korff, zwar „objektiv von Beihilfe zum Mord, aber nicht von der moralischen Verantwortung“ freigesprochen. Die persönliche Erklärung verlas am Vormittag vor einer Schwurgerichtskammer am Landgericht Bonn sein Frankfurter Anwalt Rainer Hamm. Es liege Korff fern, so Hamm, „das Geschehen damals in Zweifel zu ziehen oder gar skandalös zu verharmlosen, wie es in anderen NS– Prozessen geschehen sei. Das wäre auch seiner Ansicht nach eine Lüge.“ Der ehemalige SS–Hauptsturmführer wird beschuldigt, als Chef der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes des Departements Chalons–sur–Marne in der Nähe von Paris in der Zeit von Juni 1942 bis Mai 1943 für vier Transporte französischer und staatenloser Juden über Drancy ins Vernichtungslager Auschwitz verantwortlich gewesen zu sein. Der Prozeß, der von Beobachtern im Zusammenhang mit dem jüngst beendeten Barbie–Prozeß in Lyon gesehen wird, ist bereits die zweite Auflage einer im August 1985 geplatzten Hauptverhandlung. Der französische Nebenkläger Serge Klarsfeld hatte damals neue Tatvorwürfe erhoben, so daß das Verfahren auf unbestimmte Zeit vertagt werden mußte. Ursprünglich war Graf von Korff, dem bereits 1952 eine neue Karriere als Regierungsrat im damaligen Bundesministerium für Angelegenheiten des Bundes und der Länder gelungen war, einer von vier Angeklagten in dem Prozeß um die Verschleppung und Ermordung von Juden. Neben ihm waren 1983 vor dem Bonner Schwurgericht der ehemalige SS– Hauptsturmführer und Regie rungsrat a.D., Walter Nährich, der frühere SS–Hauptsturmführer und ehemalige Leitende Verwaltungsdirektor beim Landschaftsverband Rheinland, Richard–Wilhelm Freise, und der frühere SS– Hauptscharführer Rolf Bilharz angeklagt. Freise beging im August 1983 Selbstmord. Gegen Nährich wurde das Verfahren im November 1983 aufgrund eines psychiatrischen Gutachtens eingestellt, und der inzwischen verstorbene Bilharz war für nicht verhandlungsfähig erklärt worden. Auf Antrag der Verteidigung wurde die Verhandlung auf Dienstag vertagt, da der französische Nebenkläger Serge Klarsfeld dem Gericht sieben neue Dokumente vorlegte.