Zusammenarbeit bleibt vage

■ Anläßlich des Honecker–Besuchs in der Bundesrepublik wurden gestern drei Abkommen zur deutsch–deutschen Zusammenarbeit unterzeichnet / Konkrete Maßnahmen sind bisher nicht erkennbar

Berlin (taz) - Das bisher greifbarste Ergebnis des Honecker–Besuchs in der BRD ist die gestrige Unterzeichnung dreier Abkommen über die „weitere Gestaltung der Beziehungen auf dem Gebiet des Umweltschutzes“, sowie in „Wissenschaft und Technik“ und „über Informations– und Erfahrungsaustausch auf dem Gebiet des Strahlenschutzes“ (kurz: Strahlenschutzabkommen). Hoffnungen, daß damit das umweltpolitische Himmelreich an der deutsch–deutschen Grenze ausbrechen wird, sind derzeit verfrüht, beschreiben die Abkommen doch nur einen vagen Rahmen der zukünftigen Zusammmenarbeit. So liest sich die Auflistung der Bereiche, in denen nach dem Umweltabkommen zusammengearbeitet werden soll, noch einigermaßen konkret: Die Belastung der Luft mit Schadstoffen soll erforscht und gemindert werden, ebenso verfahren werden soll beim Waldsterben. Abfälle sollen vermieden oder schadlos beseitigt werden, dem Naturschutz soll ganz allgemein Aufmerksamkeit gewidmet werden und auch bei der „rationellen Nutzung“ und dem „Schutz der Gewässer“ will man zusammenarbeiten. Konkrete Maßnahmen sieht das Abkommen nicht vor. Über die zu vereinbarenden dreijährigen Arbeitspläne heißt es in Artikel 3 des Abkommens nur, daß sie „insbesondere die konkreten Themen des Informations– und Erfahrungsaustausches, die dafür vorgesehene Anzahl der Teilnehmer und die Dauer der jeweiligen Veranstaltungen“ beinhalten sollten. Der bundesdeutsche Umweltminister Töpfer gab zwar bekannt, daß 14 Arbeitsprojekte vereinbart seien. Um welche es sich handelt, sagte er nicht. Auch seien mit seinem DDR–Kollegen Reichelt „intensive Gespräche“ auch über das Problem der hochgradig verschmutzten Werra und Elbe und über die Mülldeponie Schönberg geführt worden. Doch mehr, als daß der „Gedankenaustausch zu gegebener Zeit in der DDR fortzusetzen“ sei, liegt auch hier noch nicht vor. Besonders komme es darauf an, hochentwickelte Technologien aus der BRD zur Minderung der Umweltbelastung „in der DDR verwendbar werden zu lassen“, machte Töpfer das ökonomische Interesse der Bundesregierung am deutsch–deutschen Umweltschutz deutlich. Noch weniger konkret bleibt das Strahlenschutzabkommen. Zwar heißt es, daß man sich „unverzüglich über Unfälle“ in kerntechnischen Anlagen unterrichten und sich ebenso über „ungewöhnlich erhöhte Werte der Radioaktivität“ benachrichtigen werde, doch ob diese Abmachung greifen wird, darf bezweifelt werden. So stützt sich dieser Teil ausdrücklich auf ein entsprechendes Abkommen im Rahmen der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA) vom September 1986 als Folge des Tschernobyl–GAUs. „Unverzüglich“, wie es dort heißt, ist dennoch bisher nicht unterrichtet worden. Im Februar und März dieses Jahres wurden kräftige Erhöhungen von Radioaktivität in Nord– und Mitteleuropa erst durch Presseveröffentlichungen bekannt und unklar ist bis heute geblieben, ob die Ursache nicht doch ein kerntechnischer Unfall in der UdSSR war, wie das Radiologische Institut Freiburg der Bundesregierung vermutete und die taz als erste meldete. Der IAEA lagen damals jedenfalls keinerlei Informationen vor. Im übrigen schreibt das Abkommen die sogenannte zivile Nutzung der Atomenergie fort. In Artikel 3 heißt es, man werde sich über deren „allgemeine Entwicklung“ und „über die Strahlenschutzüberwachung“ informieren sowie über „Kernenergieanlagen“ und die „Endlagerung radioaktiver Abfälle“. Vorbeugend eingreifen können die Vertragspartner in die atomaren Ausbaupläne nicht, denn Absatz (3) Artikel 3 sagt ausdrücklich, daß Informationen darüber erst „nach der Erteilung der staatlichen Genehmigung“ und damit der festgeschriebenen Planung erfolgen sollen. Zudem herrsche, kritisiert Dr. Helmut Hirsch, Atomkraftexperte der „Gruppe Ökologie Hannover“, zwischen der DDR und der BRD eine „babylonische Sprachverwirrung“, was unter einem Störfall zu verstehen sei. Während die DDR–Vorschriften „außergewöhnliche Ereignisse“ mit unterschiedlichen Klassifizierungen kennen, gebe es in bundesdeutschen Vorschriften „Störfälle“ und „Unfälle“. Was da jeweils meldepflichtige Vorkommnisse seien, sei völlig ungeklärt. „Mißverständnisse mit unübersehbaren Folgen sind vorprogrammiert“, warnt Dr. Hirsch. Das Abkommen über die Zusammenarbeit in „Wissenschaft und Technik“ umfaßt Natur– und Ingenieurwissenschaften ebenso wie Geistes– und Sozialwissenschaften. Ein Schwerpunkt von zunächst 27 vereinbarten Projekten liegt auf dem Gebiet der Biotechnologie. Konkret geplant ist bisher eine Zusammenarbeit bei der AIDS– und Krebsforschung. In allen drei Abkommen sind in Berlin ansässige Wissenschaftler von Bundesinstituten nach einem 1986 vereinbarten deutsch– sowjetischen Modell einbezogen. Nach dieser sogenannten Frank–Falin–Formel (benannt nach den damaligen Verhandlungsführern) dürfen solche Wissenschaftler „personenbezogen“ beteiligt werden. Raul Gersson