Die Ayatollahs auf Friedenskurs bringen

■ Friedensbemühungen im Golfkrieg in entscheidender Phase / Trotz irakischer Provokationen Kampfpause bei Perez de Cuellar–Besuch wahrscheinlich / Haltung der Mullahs nach wie vor unklar / Sowjetunion stellt Frieden, nicht Supermachtskonkurrenz in den Vordergrund

Aus Manama William Hart

Nur 48 Stunden hat UN–Generalsekretär Javier Perez de Cuellar, um zu erreichen, was vor ihm noch niemand geschafft hat. Er soll in der iranischen Hauptstadt Teheran seit gestern die Führung der Islamischen Republik für einen Waffenstillstand oder gar Frieden im Golfkrieg gewinnen. Seit sieben Jahren sind alle Versuche gescheitert, die Ayatollahs zu einem Ende des Blutvergießens zu bewegen. Der 67jährige Generalsekretär hat schlechte Ausgangsbedingungen. Er soll die Islamische Führung nicht nur von ihrem Kriegskurs abbringen, sondern sie auch zur Annahme der UN–Resolution Nr. 598 überreden. Dieses UN–Dokument übergeht die iranischen Forderungen weitgehend, während sie alle Forderungen des Kriegsgegners Irak enthält. Dennoch sind die Erwartungen an die Gespräche groß. Die Spitzenpolitiker des Landes haben seit Tagen ihre stereotype Forderung nach Sturz des irakischen Baathregimes als Vorbedingung für einen Frieden nicht mehr wiederholt. Den Revolutionswächtern auf den Golfinseln und den Streitkräften an der Landfront scheint bereits seit dem vergangenen Wochenende eine Feuerpause verordnet zu sein. Auch nachdem irakische Kampfflugzeuge am Dienstag zwei Schlepper vor der iranischen Küste versenkt und Bomber und Hubschrauber vorgestern 165 Luftangriffe als selbsternannte Rächer für Irans Raketenangriffe auf die kuwaitische Küste flogen, hielt sich die Islamische Republik zurück. Zwar erhielten die Soldaten in einigen Artilleriestellungen im Südabschnitt der Front wieder den Befehl, die Region Basra in Südirak zu beschießen, und einige Revolutionswächter starteten ihre schnellen Motorboote, um den „Himmel“, einen zypriotischen Tanker, anzugreifen, aber vor dem Hintergrund der Aktionen der selbstherrlichen Rächer aus Bagdad war dies geradezu maßvoll. Somit zeichnet sich etwas einmaliges ab. Das erste Mal im siebenjährigen Golfkrieg leistet die Teheraner Führung einem internationalen Appell zu einem - wenn auch nur begrenzten - Waffenstillstand Folge. Ob dies nun doch der entscheidende Durchbruch zum Frieden oder nur eine Taktik gewiefter Mullahs ist, um eine internationale Isolation zu vermeiden, können zur Stunde wohl nur Hochstapler voraussagen. Denn in Teheran ist offensichtlich die Entscheidung, ob man nicht doch den Krieg gegen Irak einstellt, noch nicht gefallen. Sicher ist, daß es unterschiedliche Standpunkte über die Weiterführung des Krieges innerhalb der Führung gibt. Aber unbekannt ist, wie stark die unterschiedlichen Fraktionen sind. Die junge Garde der Außen– und Wirtschaftspolitiker will eine Isolation Teherans verhindern und den ungeheuren Machtzuwachs der vergangenen Monate stabilisieren. Weitere Devisenausfälle durch irakische Luftangriffe auf Ölexporte und weitge hende Aufzehrung der Haushaltsmittel durch Kriegsausgaben sollen vermieden werden. Und diese Politiker sind nicht nur realistisch genug, zu erkennen, daß der große Durchbruch an der Landfront auf absehbare Zeit zu schaffen ist, sondern ihnen ist auch bewußt, daß in diesem Falle nicht sie, sondern ihre bärtigen Kollegen aus dem Führungsstab der Revolutionswächter und andere Pistoleros den Ton in Teheran angeben würden. Männer wie Außenminister Velayati oder der Minister für Schwerindustrie Navabi sehen, daß die Strukturen der Islamischen Republik mittlerweile so stabil sind, daß die Herrschaft durch die Fortsetzung des Krieges gefährdet ist, wenn es mittelfristig keinen Sieg gibt. Auch wenn man nur spekulieren kann, welche Debatten in Teheran derzeit geführt werden, muß man davon ausgehen, daß die Kriegsgegner nur taktisch argumentieren können. Sie werden sicher ins Feld führen, daß die islamische Republik während der Zeit des Besuchs des UN–Generalsekretärs einem Waffenstillstand zustimmen müsse, und anführen, daß dies der einzige Weg sei, um einen Waffenembargobeschluß gegen Iran zu verhindern. Ausgesprochen wichtig dürfte sein, wie sich zum Beispiel die erneut geänderte Haltung der Sowjetuniuon zum Golfkrieg ausgewirkt hat. Denn noch vor genau 14 Tagen hatte Staatspräsident Khamenei bei der Freitagspredigt triumphierend erklärt: „Die Vereinigten Staaten wollten in Zusammenarbeit mit dem Osten und ihren westlichen Verbündeten in den Gewässern des Persischen Golfes einen umfassenden Angriff auf den Iran organisieren. Die Sowjetunion, die zunächst einmal unter dem Einfluß dieser Politik stand, hat jedoch bald erkannt, daß diese Politik falsch war, und hat dann eine weise Politik im Persischen Golf eingenommen.“ In der Tat hatte die Sowjetunion, statt Iran zum Waffenstillstand zu drängen, vor allem den Rückzug der US–Schiffe aus dem Golf gefordert und die Islamische Republik diplomatisch gestärkt. Moskau hatte auch durchblicken lassen, daß keine Bereitschaft existiere, im UN–Sicherheitsrat für ein Waffenembargo zu stimmen. Nach den iranischen Raketenangriffen auf Kuwait gibt es wieder andere Worte aus Moskau. „Wir sind für eine gerechte Beilegung des iranisch–irakischen Krieges durch politische Mittel auf der Basis der UN–Resolution 598“, war der entscheidende Satz des Sprechers des Außenministeriums Gerasimov, eine diplomatisch verpackte Warnung an Teheran, daß mit der UdSSR bei der Fortsetzung des Krieges nicht zu rechnen ist. Natürlich werden dies die Moderaten in Teheran zu nutzen versuchen, um den Hardlinern vor Augen zu führen, daß Eskalation zur Isolierung führt. Aber sie werden einen schweren Stand haben, da die Hardliner die jüngsten irakischen Angriffe nutzen werden, eine Entscheidung für die Fortsetzung des Krieges zu erwirken.