Grüne vom Gedenken ausgeschlossen

■ Honeckers Kranzniederlegung in Dachau geht ohne Beteiligung von Strauß und Grünen über die Bühne / Gespräche mit Vertretern des Bundes der Antifaschisten und der Friedensbewegung / Rechte Demonstranten vor der Absperrung

Von Luitgard Koch

Dachau (taz) - „Die bayerische Staatsregierung ist durch den Stellvertreter des Herrn Ministerpräsidenten, Minister Hillermeier, höchstrangig vertreten“, antwortet der Sprecher der Staatskanzlei ausweichend im Pressebus nach Dachau. Die Frage, warum nicht Ministerpräsident Strauß den DDR–Staatsratsvorsitzenden zur Gedenkstätte begleitet, bringt ihn nicht in Verlegenheit. Fest steht, daß Strauß bisher noch nie das ehemalige KZ, das bereits 1933 fertiggestellt wurde, besucht hat. Einzig das KZ Flossenbürg besuchte Strauß zusammen mit dem italienischen Präsidenten Pertini vor Jahren. „In der Gedenkstätte beten, an der Mauer schießen“, verkündet ein Transparent an der Polizeisperre rund 500 Meter vor dem Eingang zum ehemaligen KZ. Obwohl vom bayerischen Verwaltungsgerichtshof am Donnerstagabend in letzter Sekunde eine Demo des rechtsradikalen „Instituts zur Bekämpfung der Menschenrechtsverletzungen“ verboten wurde - das Verwaltungsgericht hatte zuvor eine sogenannte „Mahnwache“ des Instituts im Eilverfahren genehmigt - haben sich zahlreiche Demonstranten, unter ihnen die Junge Union Tübingen, eingefunden. Ein Jugendlicher hält eine DDR–Flagge hoch. Hammer und Sichel sind darauf durchgestrichen. Honecker bekommt von diesen Demonstrationen nichts zu sehen. Nach einem Rundflug über das Gelände landet der khakifarbene Hubschrauber mit dem Gast. Von der nahegelegenen Kirche der Karmeliterinnen beginnen die Glocken zu läuten: zwölf Uhr. Vor den Lagergebäuden steht düster die meterhohe schwarze Skulptur mit ihren symbolisch im Stacheldraht hängenden Menschenkörpern. Dahinter der bewölkte Himmel. Im Kontrast dazu ein Paar in bunter Dachauer Tracht. Sie begleiten den Dachauer CSU–Oberbürgermeister Lorenz Reitmeier. Drei Bildbände über das rege Kulturleben in Dachau und seinem Hinterland haben sie mitgebracht, um zu das „andere“ Dachau zu betonen. Doch immer noch wird im Stadtrat das Projekt einer „Jugendbegnungsstätte“ auf dem ehemaligen KZ–Gelände blockiert. „Wir werden bis zum letzten Blutstropfen dagegen kämpfen“, so der Dachauer CSU–Fraktionsvorsitzende Probst wörtlich. Aber auch davon wird Honecker wohl kaum erfahren. „Ich weiß sehr wohl zwischen Bürgern von heute und Verbrechern von gestern zu unterscheiden“, versichert er den Dachauern. Zwei junge Polizisten mit weißen Handschuhen tragen einen Kranz. Hinter ihnen Erich Honec ker; an seiner Seite Minister Hillermeier. Nachdem die Polizisten den Kranz niedergelegt haben, bleibt der Troß der Begleiter zurück, und Erich Honecker geht alleine die paar Schritte zur Gedenkstätte. Dort ordnet er zunächst die Kranzschleifen. „In ehrendem Gedenken“, so die goldene Schrift auf dem Kranz mit roten Nelken. Bewegt steht Honecker davor und verbeugt sich kurz. Danach spricht er mit Vertretern des VVN (Bund deutscher Antifaschisten) und Vertretern der Friedensbewegung. Für die Friedensbewegung wurden der Bundestagsabgeordnete Dieter Lattmann sowie der Münchner Arzt, Mitglied der Ärzte gegen den Atomtod, Prof. Herbert Begemann, geladen. Freundschaftlich schüttelt Erich Honecker dem Vorsitzenden des Bayerischen VVN, Oskar Neumann, die Hand. Erst im Mai 1945 wurde der ehemalige KZ–Häftling Alfred Duchrow nach beinahe fünf Jahren aus dem KZ–Dachau befreit. Der 82jährige Ostberliner ist mit fünf weiteren ehemaligen Dachauer KZ–Häftlingen aus der DDR bei der Kranzniederlegung anwesend. In gebührendem Abstand wartet Minister Hillermeier, bis sein Gast das kurze Gespräch beendet hat. Die Zeit drängt. Honecker ist bereits mit deutlicher Verspätung auf dem Gelände eingetroffen. Draußen auf der Straße, vor dem Eingangstor, bemühen sich inzwischen die Grünen–Abgeordnete Ulrike Wax–Wörner und ihre Begleiterin, einen Brief sowie ein Plakat des Künstlers Carl von Ossietzky zu übergeben. Bereits gestern gab ihnen die Staatskanzlei zu verstehen, daß sie von einem Besuch „Abstand nehmen sollen“. Und so gelingt es ihnen nur, bis zum Protokollchef vorzudringen. Er nimmt Brief und Plakat entgegen mit der Versicherung, es weiterzuleiten. Grundsätzlich sehen die bayerischen Grünen in der Kranzniederlegung „nur ein leeres Ritual und keine Anstrengung für eine Politik gegen Faschismus und Krieg“. Probleme mit der Akkreditierung zur Gedenkfeier gab es auch bei der VVN. Die Staatskanzlei verschickte die Berechtigungsausweise als Drucksache mit der Post, so daß sie nicht rechtzeitig ankamen. Erst mit eiligst ausgestellten Zweitschriften konnte die VVN–Delegation nach Dachau.