K O M M E N T A R Genosse Trend grüßt

■ Zu den Wahlen der Nordlichter

Daß Wahlen in der Bundesrepublik wieder spannend sind, haben auch diesmal die Nordlichter bestätigt. Die Niederlage der CDU ist so hart, daß man fast schon mit einem Trend auf Machtwechsel rechnen kann. Und es ist nicht nur die Niederlage Barschels, der - wenn er es schafft, noch mit blauem Auge Ministerpräsident zu bleiben - schon anfangen kann, seine Tage zu zählen. Es bedarf keiner Prophetie, wenn man sich jetzt schon auf jenes ideologische Schlammringen freuen darf, das in der CDU/CSU „Richtungsstreit“ heißt. Die These vom Niedergang der Volksparteien ist bei beiden Wahlen nicht so platt bestätigt worden. Die Partei des Bremer Volkes ist die SPD geblieben, auch wenn man vermuten kann, daß da die SPD nicht von ihrer Regierungstradition zehren kann, sondern paradoxerweise von der bremischen Wirtschaftsmisere. Offenbar hält die Bevölkerung der Hansestadt die Misere für so naturwüchsig gegeben, daß sie keinen Anlaß sieht, die bisherige Verwaltung dieser Misere auszuwechseln. In Schleswig–Holstein ist die SPD an die Grenze der Alleinregierung gebracht worden. Es sollte nicht verwundern, wenn nunmehr in der SPD der Genosse Trend mit einer Begeisterung exhumiert wird und diejenigen, die etwa der Meinung sind, daß diese Partei am Anfang einer grundsätzlichen Auseinandersetzung steht, nunmehr als Pessimisten dastehen. Es reichen ja schon Menschlichkeit, Sachverstand und die milde Bereitschaft - siehe Engholm - zu reformieren, um den Genossen Trend zu wecken. Trotz des Sieges der SPD haben sich die kleinen Parteien stabilisiert. Die FDP ist endgültig frei vom Wende–Malus und bekommt die Inszenierungen freidemokratischer Selbständigkeit honoriert. Sie hat selbst in Schleswig–Holstein auf dem Land zugenommen, das der CDU die härteste Ohrfeige verpaßte. Dabei verantworten die Bauernpolitik nun wirklich FDP und CDU gemeinsam. Trotz des Sieges der SPD gibt es im Grunde auch ein rot–grünes Wählervotum. Der wichtigste Inhalt von Barschels Wahlkampagne, die Warnung vor dem rot–grünen Chaos ist wirkungslos geblieben - siehe SPD–Sieg. Dennoch gehören die Grünen - gemessen an den Möglichkeiten, gemessen an der offenkundigen Bereitschaft der Wähler, sie als politischen Faktor zu akzeptieren, zu den großen Wahlverlierern. In Bremen haben die Grünen ihr Wahlziel, die SPD–Alleinregierung zu brechen, nicht erreicht - trotz Koalitionsaussage. Das Scheitern der Grünen an der Fünf–Prozent–Hürde in Schleswig–Holstein ist nicht nur bitter, es ist signifikant. Die Grünen hatten zwar ein Tolerierungsangebot formuliert, das „weich“ genug war, um von der SPD sofort akzeptiert zu werden. Aber es war eben zu halbherzig, zu kleinmütig. Zu wenig haben die Grünen für den Machtwechsel agitiert. Den Wählern reichen nicht mehr die sauberen grünen Inhalte, sie wollen in Personen und klaren Aussagen Regierungsfähigkeit geboten haben. Insofern laufen die Grünen immer noch hinter der Zeit her, wenn sie glauben, auf dem Rücken des Problembewußtseins sanft in die Sphäre der Entscheidung getragen werden zu können. Klaus Hartung