D O K U M E N T A T I O N Wir sind alle Marines

■ Liugi Pintor in Il Manifesto über Italiens Golf–Schiffe

In den 40 Jahren unserer Republik ist alles Mögliche passiert. Aber noch nie haben wir uns auf ein kriegerisches Unternehmen eingelassen, denn unsere Demokratie ist aus den Trümmern eines Krieges geboren, und die Erinnerung an diesen Ursprung ist noch nicht völlig verblaßt. Nun aber entdecken wir, daß wir eine Kriegsflotte besitzen; die Zeitungen veröffentlichen stolz Zeichnungen von den Kriegsschiffen, bald werden sie neben den Börsenkursen kleine Fahnen mit der Tricolore abdrucken. Und dabei werden wohl diesmal tatsächlich junge Matrosen aufbrechen. Und diesen jungen italienischen Matrosen könnte es passieren, daß italienische Waffen auf sie abgeschossen werden, legale oder Schwarzmarktwaffen. Dieses blutige Resultat wäre keine Ironie des Schicksals, wie die intellektuellen Kanoniere der schändlichen Republica schreiben, sondern ein Symbol für die Degenerierung der Politik und des demokratischen Gewebes in diesem Land. Wir haben ein Phänomen vor uns, das in der Geschichte häufig auftaucht: Je mehr es einer Regierung an Echtheit und politischen Tugenden mangelt, desto mehr sucht sie nach Ablenkungen. Je verrotteter die Strukturen eines Staates sind, desto mehr verschönert er seine Fassade. Das ist ein faschistisches Erbe und Bestandteil der Psychologie unserer herrschenden Klassen. Bislang befinden wir uns nicht im Kriegszustand. Aber ab Freitag, den 4. September sind wir alle Marines. Wenn viele das Veltlin–Tal für ein Unglück ohne Verantwortliche gehalten haben, wird sich niemand erlauben können, das auch für eine Seeschlacht in der Meerenge von Hormuz zu behaupten. Und niemand wird sich frei von Schuld fühlen können.