Druck auf Palästinenser wächst

■ Der israelische Wissenschaftler Meron Benvenisti legt Jahresbericht über Lage in Westbank und Gaza–Streifen vor / Engere Zusammenarbeit zwischen Israel und Jordanien / Datenbank zur Kontrolle der Bevölkerung

Aus Tel Aviv Amos Wollin

In den zwanzig Jahren israelischer Besatzung der Westbank und des Gaza–Streifens sind 800 Millionen Dollar an direkten und indirekten Steuern aus den Taschen der Palästinenser in die israelische Staatskasse geflossen. Dies geht aus dem jetzt veröffentlichten Jah resbericht von Meron Benvenisti zur Lage in den besetzten Gebieten hervor. Benvenisti war stellvertretender Bürgermeister von Jerusalem und ist jetzt als Wissenschaftler für das „American Enterprise Institute“ tätig. Einer seiner früheren Berichte, in dem er feststellte, daß der Zeitpunkt für eine Umkehr der Besatzungspoli tik bereits überschritten sei, hatte damals heftige Debatten in Israel ausgelöst. Wie Benvenisti ausführt, werden die palästinensischen Steuergelder nicht zugunsten der Bevölkerung in den besetzten Gebieten verwandt. Etwa 2,5 Milliarden Dollar habe Israel dagegen in jüdische Siedlungen in der Westbank und dem Gaza–Streifen investiert, wo heute 65.000 Menschen leben. Bis zu diesem Sommer seien fast 200 Siedlungspläne von den israelischen Behörden gebilligt worden. Bis 1990 solle die Zahl der jüdischen Bevölkerung in den besetzten Gebieten auf 200.000 ansteigen. Benvenisti warnt davor, daß die hohe Geburtenrate der palästinensischen Bevölkerung sowie die zunehmende Zahl auswandernder Israelis in den nächsten 20 Jahren zu einer jüdisch–arabischen Parität in „Großisraeli“ führen könnte. Aus dem Jahresbericht geht weiter hervor, daß die Zahl der „Zwischenfälle“ (knapp 3.500) Ausdruck der Zunahme spontanen palästinensischen Widerstandes gegen die Besatzung ist. Die Zahl der getöteten oder verletzten Palästinenser sei angestiegen, weil es neue Armee–Richtlinien gebe, nach denen die Soldaten das Feuer auf „arabische Verdächtige“ eröffnen dürfen. Benvenisti zufolge wurden im vergangenen Jahr bei „Auseinandersetzungen“ von israelischen Sicherheitskräften 22 Palästinenser getötet und 67 verletzt. In derselben Zeit wurden in den besetzten Gebieten zwei Israelis getötet. Neun weitere Palästinenser seien deportiert, 99 in „administrative Haft“ ohne Anklage und Gerichtsverfahren genommen und 102 unter Hausarrest gestellt worden. Außerdem seien neun Häuser von palästinensischen Familien im Zuge von Strafaktionen zerstört oder versiegelt worden. Auf der politischen Ebene wird in dem Bericht festgestellt, daß Israel und Jordanien in den besetzten Gebieten enger zusammenarbeiten, um den Einfluß der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) zurückzudrängen. Gleichzeitig dehne Israel jedoch nach wie vor das jüdische Siedlungsgebiet aus und setze damit die Politik der de–facto–Annektion fort. „Das Ergebnis der israelisch–jordanischen Zusammenarbeit ist, unter dem Strich gesehen, daß der Status quo (die Besatzung, d.Red.) beherrschender wird“, resümierte Benvenisti, „Ironischerweise werden Versuche, den status quo auszubauen, als integrale Bestandteile des sogenannten Friedensprozesses angesehen, und die israelisch–jordanische Herrschaft wird nicht als Negation der Gleichung „Frieden gegen Land“ verstanden, auf der der gesamte Friedensprozeß angeblich beruht.“ Benvenisti hebt in seinem Jahresbericht auch eine neue Art der „Modernisierung“ der Besatzung hervor: Das israelische Verteidigungsministerium habe eine Computer–Datenbank für die Westbank und den Gaza–Streifen aufgebaut, die „den israelischen Behörden das grundlegende Instrument für die Kontrolle der Bevölkerung gibt“. Das 8,5–Millionen–Dollar–Projekt ist laut Benvenisti seit August einsatzfähig.