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„Gewaltkommission“ - neuer Zündstoff für Kohl

■ Die CSU stachelt den Kanzler gegen die FDP auf: Die unabhängige Regierungskommission zu den Ursachen der Gewalt soll sich auf politisch motivierte Gewalt konzentrieren / Gesetze sollen unabhängig von dem Gremium noch in diesem Jahr verschärft werden

Aus Bonn Oliver Tolmein

Während in Schleswig–Holstein die Wolken über der CDU schwarz und finster zur Entladung drängen, blitzt in Bonn schon das nächste Wetterleuchten auf. In den nächsten Tagen wird der Kanzler sich entscheiden müssen, ob er die Traditionalisten der Unionsparteien im Regen stehen läßt oder ob er versucht, die FDP in die Traufe zu zwingen. Anlaß für den neuen Entscheidungsdruck auf den Kanzler sind die unterschiedlichen Vorstellungen zwischen CSU und FDP über die in den Koalitionvereinbarungen beschlossene unabhängige Regierungskommission, die sich mit den Ursachen von Gewalt sowie Konzepten zu deren Bekämpfung befassen soll. Streitpunkt ist erstens, ob im Mittelpunkt der Kommissionsberatungen politisch motivierte Gewalt stehen soll, wie es vor allem die CSU verlangt, oder Gewalt in der Gesellschaft allgemein, wie es die FDP fordert; zweitens ist umstritten, ob es erst nach Abschluß der Kommissionsarbeiten gesetzliche Verschärfungen geben soll oder ob diese unabhängig von der Kommission noch dieses Jahr beschlossen werden sollen. Bundesinnenminister Zimmermann hat einen Brief an den Kanzler verfaßt, in dem er seine Vorstellungen skizziert und festhält, daß die auf dem Bundesparteitag der FDP skizzierten Vorstellungen der FDP den Koalitionsvereinbarungen widersprechen. Diesen Brief, zehn Tage alt, hat die FDP bisher noch nicht zu lesen be kommen. Die CSU will von Kohl zunächst eine eindeutige Unterstützung für ihre Vorstellungen, bevor sie mit der FDP in den Clinch geht. Einzelne CSU–Politiker hatten in den letzten Wochen sogar gefordert, daß Kohl auch in Sachen Innenpolitik wie bei der Pershing 1A von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch macht. Zimmermann soll nach Informationen der taz in dem geheimnisvollen Schreiben die personelle Besetzung der Kommission, als deren Vorsitzender schon Ende Juni der als hardliner bekannte ehemalige niedersächsische Justizminister Professor Schwind benannt worden ist, und ihr Arbeitsprogramm vorgestellt haben. Hans Dietrich Schwind ist 1982 nicht ganz freiwillig aus der niedersächsischen Landesregierung ausgeschieden und an seinen Lehrstuhl für Kriminologie an der Uni Bochum zurückgekehrt. Der Professor, der sich mit einer Arbeit über „Kriminologie des Schwachsinns“ habilitiert hat, hatte in seiner Amtszeit bei einer Gorleben–Demonstration vorsorglich 80 Zellen in niedersächsischen Haftanstalten freimachen lassen, um AKW–GegnerInnen im Schnellverfahren einknasten zu können. Der Rechtspolitiker, der sich bei Amtsantritt als „linker CDUler“ bezeichnete, wurde auch durch seine Einschätzung bekannt, daß der Hochsicherheitstrakt der JVA Celle auch gebraucht werde, weil „wir mit der zweiten Gastarbeitergeneration künftig verstärkt Mafia–Aktivitäten erleben werden“. Die FDP will Schwind als Vorsitzenden der Gewaltkommission zwar akzeptieren, möchte aber gerne, daß ein stellvertretender Vorsitzender aus dem liberalen Lager kommt. Ihn zu finden dürfte bei Zimmermanns Personalvorstellungen für die Kommission schwierig sein, weil in ihr vorwiegend Wissenschaftler arbeiten werden, die Konzepte des starken Staats vertreten. Empirische Untersuchungen soll der konservative Ideologe Kaltefleiter aus Kiel betreuen. Weitere Mitglieder der Kommission sollen der Frankfurter Polizeipräsident Gemmer, der in Anti–RAF–Einsätzen erfahrene Polizeipsychologe Salewski und der Stuttgarter Landespolizeipräsident Dr. Stümper sein. Als namhafter Vertreter sozialdemokratischer Positionen soll derzeit nur der niedersächsische Oberlandesgerichtspräsident Rudolf Wassermann vorgesehen sein. Er sagte der taz, er habe in einem Vorgespräch grundsätzlich seine Bereitschaft zur Teilnahme an der Kommission erklärt, sei aber über das Arbeitsprogramm und über die sonstige personelle Zusammensetzung noch nicht informiert worden. Auffällig ist, daß in dem Gremium auch eine Unterkommission Psychiatrie arbeiten wird. Weder das in dem Brief an Kohl beschriebene Kommissionskonzept noch die vorgeschlagene Besetzung entsprechen allerdings den ursprünglichen Vorstellungen von Zimmermann, der im Sommer noch angekündigt hatte, es werde nur ein kleines, arbeitsfähiges Gremium geben, in dem eher Praktiker als Theoretiker vertreten sein sollen. Jetzt soll die Kommission dagegen deutlich über 20 Mitglieder haben, die darüberhinaus zum Großteil Wissenschaftler sind. Deswegen wird es der FDP schwerfallen, Zimmermanns Vorschlag, der von Seiten der CDU/CSU schon als eine Art Kompromiß empfunden werden wird, zu verändern.

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