Ariane auf Geschäftsreise

■ Der Start von Ariane 3 bringt die europäische Raumfahrt in die Sphäre kommerziellen Erfolgs / Von Imma Harms

In der Nacht vom 15. auf den 16. September hat Ariane 3 in Kourou doch noch in den Weltraum abgehoben, nachdem in letzter Minute ein Fehler behoben werden konnte. Das europäische Weltraumprojekt steckt nicht nur unter Zeitdruck gegenüber der US–Konkurrenz, die in spätestens einem Jahr wieder Satellitentransporte anbieten wird, sondern auch unter Erfolgszwang. 46 Aufträge im Wert von viereinhalb Mrd. mark will Arianespace in den kommenden vier Jahren abwickeln. Denn allein der kommerzielle Erfolg, vor allem im Satellitengeschäft, kann von den schwindelerregenden Summen ablenken, die in den Weltraum geschleudert werden.

Berlin (taz) -“Vier, drei, zwei, eins, zero...“ - die Flugoperateure im Kontrollsaal zählten laut mit, als die Ariane 3 nach mehrmaligem Startabbruch in der letzten Minute gestern nacht um 2.45 Uhr MEZ endlich vom Weltraumbahnhof in Kourou in Französisch Guyana abhob. Es ist der 19. Flug einer Ariane–Rakete und der erste nach einer sechzehnmonatigen Zwangspause, nachdem die letzte, am 31. Mai 86 gestartete Rakete wegen des Zündversagens der dritten Stufe gesprengt werden mußte. Fehler im Zündmechanismus waren bei drei der bisher vier Fehlstarts von Ariane–Raketen die Ursache. Die Betreiberfirma „Arianespace“ ließ es sich deshalb 160 Mio. Mark und ein Jahr Entwicklungsarbeiten kosten, um die Konzeption der dritten Stufe von Grund auf zu überprüfen. Kein Wunder also, daß im Raumfahrtzentrum von Kourou erst Beifall geklatscht wurde, nachdem der Flugleiter einige Minuten nach dem Start verkündete: „Druck normal, Bahn normal, zweite Stufe gezündet, dritte Stufe gezündet!“ Auch dieser langerwartete Erfolg der Europarakete war im letzten Moment noch in Frage gestellt. Der erste Countdown war um kurz vor 1.00 Uhr MEZ unterbrochen worden, nachdem eine Kontrollampe das Versagen einer Ventilklappe an der Kraftstoffversorgung angezeigt hatte. In größter Eile untersuchten die Techniker, ob der Fehler tatsächlich bei der Ventilklappe oder etwa bei den Anzeigegeräten lag. Buchstäblich in vorletzter Minute, zwei Minuten, bevor die für diese Nacht mögliche Startzeit abgelaufen war, klappte es dann. Die „Ariane“ stieg in 283 Km Höhe auf, setzte nach etwa 20 Minuten zuerst den australischen Nachrichtensatelliten Aussat K3 und wenige Minuten später den europäischen Fernmeldesatelliten ECS4 ab. Die beiden Satelliten fliegen mit eigener Steuerung weiter bis auf die geostationäre Umlaufbahn in 36.000 Km Höhe, wo sie auf einem erdfesten Punkt über Australien bzw. dem südlichen Europa schweben und für sieben bis zehn Jahre Telefongespräche und Fernsehsendungen verteilen werden. Arianespace unter Erfolgszwang Nach dem geglückten Start scheint der Weg frei für die noch bevorstehenden großen Geschäfte der Arianespace. Noch ist ein Jahr Zeit, bis die US–Konkurrenz wieder Raketenstarts anbieten kann. 46 Aufträge im Wert von 4,5 Mrd. Mark will Arianespace in den nächsten vier Jahren abwickeln. Elf dieser Aufträge waren erst nach der „Challenger“–Explosion Anfang letzten Jahres eingegangen. So steht Arianespace nicht nur unter Erfolgszwang sondern auch unter Zeitdruck. Mitte November soll der deutsche Satellit „TV–Sat–1“ in den Orbit gebracht werden, der erstmals den Direktempfang von Satelliten–Fernsehprogrammen ermöglichen soll. Der Starttermin für diesen 20. Ariane–Flug wurde bewußt vor den Zeitpunkt des nächsten Treffens der ESA–Minister gelegt, die im November in Den Haag über weitere europäische Raumfahrtprojekte entscheiden wollen. Geht es doch um die Festlegung von Milliardensummen für die ehrgeizigen Weltraumprojekte „Columbus“, „Hermes“ und „Ariane 5“ (siehe unten). „Nichts ist wichtiger als der Erfolg“, meinte der ESA–Direktor, Reimar Lüst, dazu. Und der kommerzielle Erfolg der europäischen Raumfahrt, zumindest im Satelliten–Geschäft, scheint einen Teil der Bedenken gegen die Verschleuderung von Forschungsgeldern in den Weltraum zerstreuen zu können. Allerdings: Ein Vertreter der Deutschen Bundespost, Hauptnutzerin der Satelliten–Übertragung, der zur Beobachtung nach Kourou geschickt worden war, hält die Fernseh–Satelliten für Fehlinvestitionen. Seiner Meinung nach liegt die Zukunft der Kommunikation unter der Erde im Glasfaserkabel.