„Geballte Grüße nach Stammheim“

■ Im Düsseldorfer §129a–Verfahren verliest der Staatsanwalt die Anklageschrift / Angeklagte: „Die politische Dimension des Prozesses wird rausgedrückt“ / Vier Tage Ordnungshaft für „Kronzeugen“

Aus Düsseldorf Petra Bornhöft

Nachdem der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf die Einstellung des 129a Verfahrens gegen zehn WuppertalerInnen am ersten Verhandlungstag abgelehnt hatte, verlas gestern Oberstaatsanwalt Rosenbaum die Anklageschrift. Den acht Männern und zwei Frauen im Alter von 24 bis 34 Jahren wird vorgeworfen, „Mitglieder einer seit Anfang 1979 in Wuppertal agierenden terroristischen Vereinigung zu sein, die sich intern Antifa–Gruppe nennt“. Die „Stadtguerilla“ verfolge den Zweck, so die Anklage, „Propagandadelikte durch Parolensprühen, Plakat– und Flugblattaktionen sowie Sachbeschädigung zu begehen und offene Gewalt gegen die bestehende Gesellschaftsordnung anzuwenden“. Nach dem „Vorbild der Revolutionären Zellen“ hätten die Angeklagten in Flugblättern zum Kampf gegen Staat und Atomindustrie aufgerufen, Fensterscheiben eingeworfen und fünf Brandanschläge verübt. Wie berichtet, sind bisher keine Beweise bekannt und kam der Prozeß nur auf Grundlage (mittlerweile widerrufener) Aussagen eines Mitangeklagten, des lange und mit Wissen des OStA gegenüber Bundesgerichtshof und OLG verdeckt gehaltenen Kronzeugen Günter Pokorny, zustande. Dieser handelte sich gestern gleich vier Tage Ordnungshaft ein, weil er OStA Rosenbaum mit den Worten „Sei still, Du hast die Fäden gezogen“ am Verlesen der Anklageschrift hindern wollte. Befangenheitsanträge gegen Rosenbaum hatte der Senat vom Tisch gewischt. Seine Anwesenheit sei „nicht völlig unerträglich“, begründete der Vorsitzende Richter Arend. Die Zuhörer warnte Arend: „Sie werden die Offensivität des Gerichts erleben, wenn Sie weiter stören.“ Den Anlaß gab ein „Flugblatt aus der Wuppertaler Szene“, in dem etwas steht von „offensiverem Verhalten gegenüber Prozessen“. In einer mehrseitigen Erklärung stellte eine der Beschuldigten das Verfahren in den Zusammenhang der „Entwicklung des revolutionären Widerstandes und seiner Perspektiven“. Die Bedeutung des Prozesses für den Staatsschutz liege darin, „diffuse Zusammenhänge des Widerstandes greifbar zu machen und zu verurteilen“. Ein anderer Angeklagter wehrte sich dagegen, „daß die politische Dimension des Prozesses hier rausgedrückt wird“. Auch ging er auf die erfolgreich durchgesetzte Sitzordnung ein - die Reihe zwischen Pokorny und den anderen Angeklagten blieb frei: „Damit haben wir das Prinzip, Verräter müssen aus den Reihen der Revolution ausgeschlossen werden, zur praktischen Initiative gemacht.“ Abschließend richtete er „geballte Grüße an die Genossen in Stammheim, die parallel ihren Prozeß haben“. Die Verhandlung wird am Dienstag weiter fortgesetzt.