Frühling für Nicaraguas Opposition

■ Die Presse öffnet ihre Spalten / La Prensa und Radio Catolica bald wieder erlaubt? / Prominente Contras wollen in die legale Opposition zurück / Land für abtrünnige Contra–Soldaten / Ortegas Zugeständnisse bringen US–Verbündete Honduras und El Salvador in Zugzwang

Aus Managua Michael Rediske

„Das Zentralamerikaabkommen ist unser Glasnost“, freute sich letzte Woche der Nicaraguaner Mauricio Diaz, Parteichef der oppositionellen Christsozialen Volkspartei. Freude wie Kritik an den Sandinisten (“beschränkte Demokratie“) konnte er - unge– wöhnlich genug - in den Spalten von deren Parteiblatt Barricada loswerden. Am nächsten Tag folgte an gleicher Stelle sandinistische Selbstkritik: Die Schriftstellerin Gioconda Belli forderte von ihren Parteigenossen, nicht immer nur „für die Gleichgesinnten zu predigen“ und die übrigen als Konterrevolutionäre zu brandmarken. Die angeblich unpolitischen Landsleute seien meist nur von der Revolution enttäuscht. Derweil kann seit neuestem der starke Mann der Rechtsopposition, Kardinal Obando y Bravo, im pro–sandinistischen Nuevo Diario die Kernsätze seiner Sonntagspredigten nachlesen. Und nur noch eine Frage von Wochen ist es, so meinen fast alle Beobachter, bis La Prensa und Radio Catolica wieder aufmachen dürfen, die wegen ihrer Sympathien für Reagans Politik von der Regierung geschlossen wurden. Allerdings hat Nicaraguas Glasnost wenig mit dem Vorbild Michail Gorbatschows zu tun, dessen Reden hierzulande kaum einer kennt. Ausgangspunkt für die neue Transparenz ist das Friedensabkommen, das die fünf Staatspräsidenten Zentralamerikas am 7. August unterzeichnet haben. Danach sollen genau drei Monte später überall in der Region Waffenstillstand, Amnestie und Demokratisierungschritte in Kraft treten. Kein Land darf dann mehr sein Territorium für „irreguläre und aufständische Streitkräfte“ anderer Länder zur Verfü gung stellen. Nun weiß Nicaraguas Regierung, daß eine im Wortsinn „gleichzeitige“ Verwirklichung, wie sie das Abkommen vorsieht, nicht praktikabel ist: Nicaragua kann am Stichtag, dem 7. November, den Ausnahmezustand aufheben - aber die Contra wird nicht am gleichen Tag aus Honduras verschwunden sein. Andererseits warten die US–Verbündeten Honduras und El Salvador, die das Abkommen unter dem gemeinsamen Druck der drei Nachbarn Costa Rica, Guatemala und Nicaragua unterschrieben haben, nur darauf, daß Nicaragua die Abmachungen nicht einhält - um dann in aller Unschuld wieder die Kriegspolitik Reagans, der gerade 270 Millionen Dollar für die Contra beim Kongreß beantragt hat, mitzumachen. Um auch die Nachbarn zu vorgezogenen Schritten zu drängen, drückt Managua also aufs Tempo. Alle drei Tage verkündet Präsident Ortega ein neues Zugeständnis an die Opposition: Am 5. Oktober soll ein „nationaler Dialog“ aller Parteien sowie des Rechtsbündnisses „Demokratische Koordination“ beginnen. Allen potentiellen Rückkehrern aus der Contra wird Land oder ein Arbeitsplatz versprochen. Und das sechs Jahre alte Gesetz, wonach jeder, der das Land verläßt, nach sechs Monaten enteignet werden kann, setzte die Regierung am vergangenen Wochenende außer Kraft. Zudem kündigte Luis Carrion, Mitglied der neunköpfigen FSLN–Führung, an, die Regierung sei durchaus bereit, mit Feld kommandanten der Contra zu diskutieren. Einen Dialog mit der Führung der Contra lehnen die Sandinisten allerdings weiterhin ab. Einen Sog–Effekt zugunsten der Amnestie dürfte auch die inoffizielle Ankündigung einer Reihe von politischen Anführern der Contra haben, demnächst wieder als legale Opposition heimzukehren. Die Liste reicht vom ehemaligen Zentralbankpräsidenten Alfredo Cesar über den Miskito–Anführer Brooklyn Rivera bis zum Unternehmer Alfonso Robelo, der dem Direktorium des Dachverbandes der Contra (Resistencia Nacional) angehört. Doch die bevorstehende Amnestiewelle führt auch zu politischen Spannungen. Schon protestieren die Mütter der von der Contra umgebrachten „Märtyrer“. Kleinbauern und Kooperativen, deren Land früher Großgrundbesitzern gehörte, fürchten, wieder vertrieben zu werden. „Die Agrarreform ist unantastbar“, mußten der zuständige Minister Wheelock und Präsident Ortega daraufhin in mehreren langen Reden erklären. Kein Bauer werde sein Land an einen „Desalzado“ (“ehemalige Aufständische“ werden die amnestierten Contras jetzt genannt) verlieren. Und „Kriminelle“ wie die nach 1979 verurteilten Nationalgardisten Somozas würden von der Amnestie ausgenommen. Auch die kompromißwillige Opposition in Managua hat ihre Probleme mit einer zu raschen Rückkehr der eigenen Hardliner aus dem Exil. In der Christlichsozialen Partei (PSC) hat sich erst nach langem Tauziehen am vergangenen Wochenende der Flügel um Parteichef Erick Ramirez durchgesetzt, der das Versöhnungsprogramm des Guatemala– Abkommens aktiv stützen will. Und diese kompromißbereiten Christdemokraten fürchten im Moment vor allem die harte Exilfraktion. Deren ideologischer Chef ist Pedro Joaquin Chamorro jr. Der noch im Exil lebende Chefredakteur von La Prensa hat erst letzte Woche auf einem Kongreß der Moonsekte in Montevideo heftig vom Leder gezogen und Daniel Ortega einen „kleinen drittklassigen Diktator“ genannt. Eine Wiederzulassung seiner Zeitung lehnte er jüngst mit der Begründung ab, dies würde nur zur Legitimierung der sandinistischen Regierung beitragen. Die Mehrheit der Rechtsopposition im Land will keinen neuen Schlagabtausch mit der FSLN–Regierung. Denn sonst, so fürchtet sie, könnte es mit Nicaraguas Glasnost auch bald wieder vorbeisein.