Asylbewerber in Haft zum Krüppel geprügelt

■ Polizisten in Berlin mißhandelten offenbar den 18jährigen libanesischen Asylbewerber Ahmed El–Zain so schwer, daß er an beiden Beinen gelähmt ist / Bislang weigert sich die Polizei, zu dem Fall Stellung zu nehmen / Strafanzeige wegen Körperverletzung im Amt

Aus Berlin Brigitte Fehrle

Der 18jährige Asylbewerber Ahmed El–Zain wurde in Polizeigewahrsam von Beamten so schwer mißhandelt, daß er wahrscheinlich dauerhaft querschnittsgelähmt sein wird. Vier Beamte hatten ihn mit Fußtritten und Faustschlägen ins Gesicht, auf Brust und Rücken malträtiert . Er blieb tagelang ohne ärztliche Behandlung. Die Mitarbeiterin der „Kontakt– und Beratungsstelle für außereuropäische Flüchtlinge“ Renate Wagner hat inzwischen gegen die Polizeibeamten Strafanzeige wegen Körperverletzung im Amt gestellt. Polizei und Innensenator Kewenig (CDU) schweigen bislang zu den Vorwürfen. Laut Polizei wird „geprüft“. Es war am Dienstag, den 8. September, als eine Polizeistreife den in Beirut geborenen Jugendlichen wegen Verdacht auf Autodiebstahl in der Eisenacher Straße im Berliner Bezirk Schöneberg festnahm. Auf der Polizeiwache schlugen ihn vier Polizisten mit Fäusten ins Gesicht und mißhandelten ihn mit Fußtritten in Rücken und Brust, so berichtete es Ahmed später. Der Jugendliche blieb die ganze Nacht in Polizeigewahrsam. Obwohl er mehrmals einen Arzt verlangte, wurde seine Bitte nicht erfüllt. Erst am nächsten Morgen brachte ihn die Polizei zur Behandlung ins Universitätsklinikum Westend. Der Arzt der Notaufnahme untersuchte Ahmed und interpretierte die Tatsache, daß er beide Beine nicht bewegen konnte, als „hysterische Lähmung“ und bescheinigte außerdem „akute Suizidgefahr“. Er bestand allerdings nicht, was möglich gewesen wäre, darauf, den Jugendlichen dazubehalten, sondern empfahl lediglich einen Krankenhausaufenthalt. Die Polizei nahm Ahmed also wieder mit und brachte ihn noch am Nachmittag desselben Tages in den Abschiebeknast Kruppstraße. Dort sperrte man den Jugendlichen trotz der ärztlich bescheinigten Suizidgefahr und der Lähmung seiner Beine in eine Einzelzelle. Wieder wurde sein Wunsch nach ärztlicher Betreuung nicht erfüllt, und man erlaubte ihm nicht zu telefonieren. Renate Wagner die inzwischen durch einem an onymen Hinweis von dem Fall erfahren hatte, versuchte Ahmed in der Kruppstraße anzurufen. Der Jugendliche wolle nicht mit ihr sprechen, würde sie abgefertigt. Am nächsten Tag wurde Ahmed dem Haftrichter vorgeführt, der anordnete, ihn sofort ins Haftkrankenhaus zu verlegen. Zwei Tage später, am 12. September um 1.00 nachts, wurde Ahmed vom Haftkrankenhaus wieder ins Universitätsklinikum gebracht. Die Diagnose des Arztes: Lähmung beider Beine. Im Rückenmark wurde im Bereich zwischen Halswirbeln und Brustwirbeln eine Blutung festgestellt. Ahmed berichtete auch hier - und so wird es in den Krankenbericht aufgenommen - von dem „Handgemenge“ mit den vier Polizisten auf der Wache von dem seine Verletzungen herrührten. Die Ärzte operrierten den Jugendlichen sofort. Die Berliner Polizei schweigt bislang zu den schweren Vorwürfen. Die Anschuldigungen bedürften einer „sorgfältigen Überprüfung“, hieß es vorgestern abend. Gestern war keine weitere Stellungnahme zu bekommen. Bislang ist auch völlig unklar, warum Ahmed El–Zain überhaupt zwei Tage im Abschiebeknast verbringen mußte. Der Jugendliche ist zwar rechtskräftig abgelehnter Asylbewerber, allerdings liegt gegen ihn weder ein Ausweisungsbescheid noch ein Abschiebebeschluß vor. Ahmeds Rechtsanwalt hatte deswegen schon am 9. September Beschwerde eingelegt. Inzwischen wurde die Haftanordnung auch zurückgezogen. Als Renate Müller gestern früh Ahmed im Krankenhaus besuchte, ging es ihm schlecht. „Apathisch“ sei er, sagte sie und „sehr schwach“. Er liegt jetzt auf einer Spezialstation für Querschnittsgelähmte. Laut Aussagen seines Anwaltes ist nicht sicher, ob er jemals wieder laufen kann.