Tamilische Guerillas suchen Schutz bei der Polizei in Sri Lanka

■ Nach Schießereien zwischen Guerillagruppen verstärkte Patrouillen der indischen „Friedens– truppe“ / „Vielleicht lassen die Inder die tamilischen Gruppen sich gegenseitig auslöschen?“

Aus Colombo Biggi Wolf

Nach den Schießereien zwischen rivalisierenden Tamilengruppen im Osten Sri Lankas, bei denen am Wochenende über 100 Guerillakämpfer ums Leben gekommen sein sollen, haben die indischen „Friedenstruppen“ in enger Zusammenarbeit mit der örtlichen Polizei ihre Patrouillen in den Städten der Ostprovinz verstärkt. Der Oberbefehlshaber der indischen Streikräfte in Sri Lanka, Generalleutnant Depinder Singh, hatte in Gesprächen mit der Polizeiführung in Batticaloa eine entsprechende Übereinkunft erzielt. Nach Polizeiangaben haben unterdessen etwa 200 Kämpfer der kleineren Tamilenorganisationen „Eelam Peoples Revolutionary Front“ (EPRLF) und „Peoples Liberation Organisation of Tamil Eelam“ (PLOT) Zuflucht vor den Angriffen der dominierenden „Liberation Tigers of Tamil Eelam“ (LTTE) in Polizeistationen gesucht. „Wenn die indischen Truppen nicht willens oder nicht in der Lage sind, ihren Auftrag zur Friedenssicherung auszuführen, dann fordern wir die Rückgabe unserer Waffen, damit wir Maßnahmen zur Selbstverteidigung gegen die LTTE ergreifen können“, hatte am Montag Ketheeswaran, Sprecher der EPRLF, erklärt. Ein allzu hartes Vorgehen gegen die LTTE, die aufgrund ihres jahrelangen Kampfes gegen die singhalesischen Streitkräfte großes Ansehen in der tamilischen Bevölkerung genießt, könnte jedoch für die Inder politisch gefährlich werden. „Vielleicht lassen die Inder die tamilischen Gruppen einfach sich gegenseitig auslöschen. Ich sehe keinen anderen Weg, denn die Militanten passen nicht in den gegenwärtigen Friedensprozeß“, meinte ein namentlich nicht genannter Regierungsbeamter in Colombo. Die jüngsten Auseinandersetzungen in der tamilischen Guerilla fanden an der Ostküste statt, hauptsächlich in den Städten Batticaloa, Trincomalee und Amparai. Die Bevölkerung besteht zu je einem Drittel aus Tamilen, Singhalesen und Muslimen, den Nachfahren arabischer Kaufleute. Dort wird sich entscheiden, ob das am 29. Juli zwischen Indien und Sri Lanka vereinbarte Friedensabkommen politisch durchsetzbar ist. Eine für Ende 1988 geplante Volksabstimmung soll darüber befinden, ob es zu der von den Tamilen geforderten Zusammenlegung der Nord– und der Ostprovinz Sri Lankas zu einem tamilischen „Heimatgebiet“ kommen wird. Bei den innertamilischen Streitigkeiten spielen auch unterschiedliche Positionen zur Frage der Rückkehr von Singhalesen in die Ostprovinz, die während des Krieges in andere Landesteile geflohen waren, eine Rolle. Die Regierung in Colombo wirft den Guerillagruppen vor, mit der unvollständigen Waffenabgabe das Friedensabkommen zu hintertreiben. Die jüngsten Schießereien unter den Tamilengruppen könnten nun den indischen Truppen Anlaß geben, die Guerilla gewaltsam zu entwaffnen. „Indien ist zutiefst verstört und beunruhigt über die Gewalttätigkeiten“, erklärte eine Sprecherin der indischen Botschaft in Colombo. Nicht ausgeschlossen werden kann jedoch, daß Indien selbst über den Einfluß auf kleine Guerillaorganisationen, die in kleine Zirkel ohne Führung zerfallen sind, die Streitigkeiten mitiniitiert hat.