Der Schein trügt: Sonne nicht konkurrenzfähig

■ Solarkongreß in Hamburg: Das Interesse für die „Energie der Zukunft“ wächst weltweit / Nicht technische, sondern ökonomische und soziale Widerstände hemmen die Solarforschung / Bisher ist keine regenerative Energie - Sonne, Wind, Biomasse - konkurrenzfähig

Aus Hamburg Gabi Haas

Ein großformatiges Vielfarbenplakat am Ausstellungsstand der „Versuchsanstalt für Luft– und Raumfahrttechnik“ (DFVLR) kündete von der großen Zukunftsvision bundesdeutscher Solar– Wissenschaftler: Ein kleines Quadrat auf der Landkarte Afrikas - ausgerüstet mit gigantischen Solar–Kraftwerken - liefert per Pipeline den Strom in Form von Wasserstoff aus der Sahara direkt in die Metropolen Westeuropas. Vierzig Prozent des bundesdeutschen Energie–Jahresbedarfs, so war auf dem „Solar–Weltkongreß“ in Hamburg diese Woche zu hören, könnten auf diese Weise zukünftig bereitgestellt werden. Von der „Energie der Zukunft“, nicht mehr von „Alternativenergie“ ist die Rede. Und in der Tat: Sonnenenergie kann (fast) alles. Dafür bot die parallel zum Solar–Kongreß organisierte internationale Industrie– Schau auf dem benachbarten Messegelände eindrucksvolle Beispiele. Schnittige, mit Wasserstoff betriebene Limousinen, Solarzellen auf dem Verdeck, die gleichzeitig fürs Licht und Radio sorgen. Von der Kühlbox bis zum Fernseher, von der Straßenampel bis zum Leuchtturm - die Anwendungsmöglichkeiten der Photovoltaik, bei der durch Solarzellen Licht direkt in Strom umgewandelt wird, sind schier unbegrenzt. „Der Solarzug gewinnt weltweit an Fahrt“, hatte der für diese Entwicklung sicherlich am wenigsten verantwortliche Bundesforschungsminister Riesenhuber auf seiner Kongreß–Rede verkündet, und kein Zweifel: Die Industrie ist auf den Dampfer aufgesprungen. AEG, Siemens, MAN, Mercedes und wie sie alle heißen, konnten auf der Solar–Ausstellung ungeniert Werbung mit ihren Produkten betreiben: Windmühl–Rotoren jeglicher Größe und Gestalt, Wohnmobile, Motoryachten, riesige parabolförmige Sonnenkollektoren und gleißende Sonnenspiegel, daß dem Besucher vor lauter Licht die Augen schmerzen. Doch der Schein trügt. Prof. Carl Jochen Winter (DFVLR) verschwieg in seinem Festvortrag nicht, was sich bisher als nahezu unüberwindbares Hindernis erwiesen hat: Nicht technische, sondern volkswirtschaftliche und soziale Widerstände haben dafür gesorgt, daß die inzwischen zwölfjährige Sonnenenergieforschung noch in den Kinderschuhen steckt. Solange die Volkswirtschaften der Welt „an dem obsoleten Bruttosozialprodukt als Indikator für soziale Wohlfahrt festhalten“, so Winter, „solange Regierungen die Aufnahme neuer Energien praktisch dem Markt überlassen, solange kann die Sonnenenergie kaum mithalten.“ So kritische Töne waren sonst auf dem gesmten Kongreß nicht zu hören. Der politische Kontext - übrigens auch das Thema Energiesparen - blieben tabu. Darüber war nur im persönlichen Gespräch mit Vertretern der Universitätsgruppen oder der vielen kleinen Firmen etwas zu erfahren, die sich im Kampf um Aufträge die Beine ausreißen. Im Hochschulbereich, so erzählte eine Uni–Wissenschaftlerin aus Oldenburg, gibt es seit der Wende praktisch keine Fördermittel in Sachen erneuerbare (regenerative) Energien mehr. Da bleibt nur die Hoffnung auf Aufträge aus der Industrie. Auf einem Meeting am Rande der Ausstellung formulierten die Windmühlen–Firmen ihre Sorgen: Fatal sei nicht nur das Fehlen direkter Investitionshilfen, sondern auch eine sich anbahnende länderprotektionistische Haltung. So sei der von Niedersachsen geplante Windpark in Wilhelmshaven nur für niedersächsische Anbieter ausgeschrieben gewesen, und dann habe schließlich mit MBB ein in der Krise befindlicher Rüstungskonzern den Zuschlag bekommen, um ihm unter die Arme zu greifen. Unterm Strich ist die gesamte Palette regenerativer Energien noch lange nicht konkurrenzfähig, was die Stromproduktion betrifft. Die umweltfreundlichen Energien aus Sonne, Wind oder Biomasse sind gegenwärtig trotz der sich anbahnenden ökologischen Katastrophe erst in lokal oder technisch begrenzten Bereichen wirtschaftlich einsetzbar. Das betrifft neben der auf dem Kongreß breit vertretenen Solar– Architektur (vierzig bis fünfzig Prozent Energieeinsparung bei Solar–Häusern) vor allem die Entwicklungsländer, wo heute noch viele Regionen überhaupt keinen Strom kennen. Energie aus Sonne, Wind, Wasserkraft und Biomasse können hier preiswerter und zuverlässiger als jede konventionelle Stromproduktion mit ihren teuren Überlandleitungen für Licht, Wasserpumpen oder den Dorffernseher sorgen. Ein indischer Experte berichtete über die große Erleichterungen, die die Einführung rauchloser und rationeller Holzöfen für Millionen von Frauen bedeuteten. Früher mußten sie oft sechs Stunden täglich Holz sammeln, um anschließend beim Essenkochen den Rauch von umgerechnet zweihundert Zigaretten zu inhalieren. Überlieferter Kommentar eines jungen Inders: „Jetzt haben die Frauen auch mehr Zeit für ihre Männer.“