...und ewig lockt des Weibes Stimme

■ Mütterlich–pädagogisch, kindlich staunend, kindisch kichernd und immer betroffen: die neuen Frauenstimmen in Funk und Fernsehen

Von Ingeborg Braunert

Ich habe nichts gegen Frauen - bin ja selber eine. Und daß wir höhere Stimmen als die meisten ausgewachsenen maskulinen Exemplare unserer Gattung haben, ist kein Mangel - wenn man bedenkt, daß Männer einst kastriert werden mußten, um die weiblichen Stimmlagen Sopran und Alt zu erreichen. Die Frauenstimmen aber, die mehr und mehr aus Radio und Fernsehgerät ertönen, rufen bei mir außer Belustigung auch Schauder und Scham hervor. Je mehr Ansagerinnen und Moderatorinnen bei den westdeutschen Sendern auftreten, desto stärker wird der Eindruck, daß es hier nicht um Fortschritt, Quotierung und Frauenemanzipation geht, sondern um die Installierung des „Weiblichen“, wie es die Männer schon immer am liebsten hatten: mütterlich pädagogisch, kindlich staunend, kindisch kichernd, gönnerhaft kess, sphinxhaft raunend, vor allem aber immer von allem betroffen. Was sich mit Stimme alles ausdrücken läßt. Was auf dem Bildschirm an Musik, Gestik und garderoben– wie frisurmäßiger Aufmachung noch hinzukommt, ist nur Beiwerk zu dem, was sie sagen, wie sie es sagen. Daß die bei den deutschen Sendern zu diesem Zweck angestellten Frauen wirklich so sind, wie sie sich anhören, sei zu ihren Gunsten nicht angenommen. Es sollen, zumal beim Fernsehen, ja immer mehr ausgebildete Schauspielerinnen (und immer weniger Journalistinnen) sein, die zu dieser Demonstration der Weiblichkeit herangezogen werden. Am fortgeschrittensten scheint dieser Prozeß beim WDR zu sein, dem westlichsten unter den westdeutschen Sendern und größten in Europa, angesiedelt in Köln. Da gibt es im regionalen Fernsehprogramm täglich von 19 bis 20 Uhr die „Aktuelle Stunde“, de ren Besonderheit die Moderation im gemischten Doppel ist. Am Anfang machte da noch Sigi Hareis mit, spezialisiert auf aufgesetzte Spontaneität und auf kindischen Umgang mit kindlichen Gemütern (“Montagsmaler“, immer dienstags). Auch die schrecklich aufgedrehte Margarete Schreinemakers legte in der Aktuellen Stunde den Grundstein zur Karriere, die sie stracks zur eigenen TV–Sendung, dem unsäglichen „Wortschätzchen“ führte. „Sie ist neu und schrecklich aufgeregt“ Inzwischen sind neue Frauen zu sehen, deren Einführung natürlich immer die männlichen Partner übernahmen. Mit dankbarem Gestöhn und Gekicher nahmen sie es dann an, wenn sie von den nicht älteren Herren onkel– und gönnerhaft z.B. so eingeführt wurden: „Das ist Gabi (auf alle Fälle immer der Vorname), sie ist neu und schrecklich aufgeregt.“ Und am Ende einer solchen Sendung wieder er: „Sie hat es doch gut gemacht! Oder was meinen Sie?“ - zu den Zuschauern gewandt. Dankbares Lächeln bei der neuen Moderatorin. Es ist quälend mitanzusehen, wie bei dieser Pärchenmoderation die beiden kokett miteinander umgehen müssen. Wie sie unter dem Zwang stehen, daß ein Mann und eine Frau in einem live–geschalteten Fernsehstudio vor allem miteinander flirten müssen. Auf Biegen und Brechen, noch in der tausendsten Sendung, in der sie zusammen sind, und eigentlich den Zuschauern Nachrichten und Informationen vermitteln sollen. Und damit man merkt, wie verschieden Frau und Mann doch sind, gibt es bestimmte Zuteilungen. Die Frau darf sich z.B. bei den Nachrichten bei schwierigen Wörtern, unbekannten Orten verhapseln und versprechen und dann lachend ausrufen: „Huch, was für ein schwieriges Wort!“ Am liebsten lesen sie die Nachrichtentexte so vor, als ob es sich um Märchen oder Gute–Nacht–Geschichten für Kinder handelt. Mit einer Betonung, die im Kinderfunk bereits out ist. Am deutlichsten ist die Rollenverteilung bei Studiobesuchern. Für Kinder ist grundsätzlich die Frau zuständig. Kleinkinder bis Zehnjährige werden mit mütterlich–zärtlicher Stimme und reduziertem Wortschatz angesprochen, die älteren hingegen kum pelhaft und krampfhaft locker. Kommen Sachverständige für irgendein soziales, medizinisches oder naturwissenschaftliches Thema ins Studio, so sind zwar grundsätzlich Mann und Frau für das Interview zuständig, die Ansprache unterscheidet sich jedoch erheblich. Legt es der Mann darauf an, auf dem jeweiligen Gebiet sachkundig zu scheinen und mit dem Experten zu fachsimpeln, so ist es der Part der Frau, so anzufangen: „Ich kenne mich da nicht aus, aber bitte, erklären Sie mir doch mal...“ Am auffallendsten an der Konstellation „Moderatorenpärchen mit Studiogästen“ ist jedoch: Die Studiogäste wirken immer sachkundiger, natürlicher und authentischer als die Moderatoren, die doch so zwanghaft um Natürlichkeit und Authentizität bemüht sind. Und leider ist das bei den Frauen besonders auffällig. So war die Leiterin der WDR–Frauenredaktion, Inge von Boeninghausen, die neulich als Expertin für „Rote Zora“ im Studio war, ruhig, informativ und im Sprechen so angenehm, daß man sich gewünscht hätte, sie wäre anstelle der Moderatorin für den Rest der Sendung im Studio geblieben. „Mama und Papa“ im Rollenspiel Während die Aktuelle Stunde das täglich geübte Rollenspiel „Mama und Papa“ ist (die Zuschauer sind die Kinder), gibt es ein Hörfunkprogramm beim WDR, das die einzelnen Sendungen nach „weiblich“ und „männlich“ thematisch zuteilt. Das ist WDR Zwei, der Sender für die Autofahrer, viel gehört im Rheinland und im Ruhrgebiet. Verkehrsmeldungen gibt es stündlich, bis neun Uhr sogar halbstündlich. Für die Ankündigung von Geisterfahrern werden alle Sendungen unterbrochen. Montags bis freitags gibt es Live– Moderationen. Von sechs bis neun Uhr das Morgenmagazin in Paarmoderation, die aber keine spezifische Rollenzuteilung kennt (da hört man manchmal noch die sachlich–kühle Stimme von Gisela Marx), von 9 Uhr 20 bis 12 Uhr „Daheim und unterwegs“ und von 12 bis 14 Uhr 45 das Mittagsmagazin. In letzterem geht es um aktu elle Politik. Natürlich von Männern moderiert. Seit einiger Zeit ist einmal pro Woche eine Frau im Studio, Ulrike Wöhning, die sich von den Männern vor allem durch die ach so weibliche Eigenschaft unterscheidet, die Korrespondenten am Telefon oder im Studio bei ihren politischen Berichten mit ach so menschlichen Zwischenfragen zu unterbrechen. Dem Informationswert der Sendung täte es auch gut, wenn Frau Wöhning es schaffen könnte, in Stimme und Tonlage etwas weniger aufgeregt zu erscheinen. Bei „Daheim und unterwegs“ ist es umgekehrt wie im Mittagsmagazin. Das ist die Domäne der Frauen. Nur einmal, freitags, wenn es um „Bürger und Bürokraten“ geht, ist ein Mann da, denn da geht es um Politik. Die neue Weiblichkeit findet jedoch vor allem von Montag bis Mittwoch statt. Denn donnerstags ist Carmen Thomas „mit dem Ü– Wagen unterwegs“. Diese von ihr selbst konzipierte Sendung, die seit 1974 wöchentlich läuft, weist zwar Wiederholungen auf, zeigt aber nach wie vor keine Merkmale von holder Weiblichkeit bei der Moderatorin. Carmen Thomas benutzt seit 13 Jahren die gleiche Stimmlage, egal, ob sie Kinder oder Greise, Politiker oder Professoren oder im Umgang mit dem Mikrophon ungeübte „Menschen von der Straße“ anspricht. Sie legt es deutlich auf Kontroverse an und verhindert Harmonie, wo sie mit Sätzen wie „Sie haben ganz recht...“ aufzukommen droht. Sie insistiert und gestattet keine Abschweifungen, Floskeln oder Sprechblasen. Geplätscher und viel Betroffenheit Von Montag bis Mittwoch aber ist von 9 Uhr 20 bis 12 Uhr auf WDR Zwei Geplätscher und Geschäker, Sturzbetroffenheit und viel „Ich denke“ und „Ich meine“ und „Irgendwie“ seitens der Moderatorin angesagt. Als Hörer wähnt man sich als Lauscher an einer Wohnzimmertür oder bei einem Selbsterfahrungsgespräch. Harmonie und Gemütlichkeit bestimmen die von der Moderatorin verursachte und verantwortete Atmosphäre. Und auch hier wieder das Phänomen wie bei der „Aktuellen Stunde“: Man wird unter den Stimmen die der Moderatorin immer daran ausmachen können, daß sie die unnatürlichste, dem Gesagten unangemessenste, weil aufgesetzteste ist. Unter den ständigen Titeln wie „Alltagskonflikte“, „Umweltgeschichten“ und „Ansichtssachen“ wird mit Experten und Betroffenen im Studio und Hörern am Telefon beplaudert, was heute als sogenannte Frauenthemen längst die Kochrezepte, Einkaufstips und Strickmuster abgelöst hat: Therapien aller Art, Süchte und Sehnsüchte, Grundsätzliches zu Ernährung und Wohnen (achteckig muß der Grundriß sein!), Kindererziehung, Globalthemen wie „Vertrauen“ oder „Verständnis“ und so tiefschürfende Fragen wie die, warum „Menschen“ aus dem Urlaub Ansichtskarten schreiben. Ein Psychologe oder eine Psychologin ist als Betroffenheitsexperte/in immer dabei und die letzte Instanz für die Moderatorin. Seine/ ihre Aussagen werden von ihr wiederholt und ins Frauendeutsch übersetzt. Klingelt das Hörertelefon, werden die Anrufer, sobald sie ihren Namen gesagt haben, von der Moderatorin wie alte Bekannte begrüßt. Ist es gar eine ältere Frau (wohl die Zielgruppe dieser Sendungen), die vielleicht auch noch bestätigt, daß ihr das Thema dieser Sendung schon lange am Herzen liegt, so überschlägt sich die Stimme der Moderatorin fast vor Zuneigung und Zärtlichkeit. Einmal in der Woche, am Mittwoch, dürfen in der letzten Viertelstunde HörerInnen über Bücher sprechen, die sie beeindruckt haben. Neulich sprach an dieser Stelle ein Hörer über Dieter E. Zimmers „Tiefenschwindel. Die endlose und die beendbare Psychoanalyse“. Die Mittwochs–Moderatorin Dörte Voland kannte das Buch nicht (ich kenne es auch nicht), aber der Titel und das, was der Hörer davon erzählte, verwirrte sie so, daß sie tat, was sie sonst nicht tut: Sie unterbrach ihn dauernd, legte auch ihre Schmeichelstimme ab und wurde spitz, gar fuchtig, indem sie ihn eins ums andere Mal fragte: „Und jetzt sagen Sie einmal, warum hat Ihnen das Buch gefallen?“ Irgendwie muß sie betroffen gewesen sein.