Wechsel an der Spitze der DAG

■ 14. Bundeskongreß der Deutschen Angestelltengewerkschaft / Herrmann Brand wird nach 20 Jahren als Vorsitzender vom stellvertretenden Vorsitzenden Roland Issen abgelöst

Berlin (taz) - Die Deutsche Angestelltengewerkschaft wird auf ihrem 14. Bundeskongreß in Hannover einen neuen Vorstand wählen. Der Kongreß wurde gestern mit der Forderung nach einer aktiven Beschäftigungspolitik von Bund, Ländern und Gemeinden eröffnet. „Die Jahre des Aufschwungs neigen sich dem Ende zu“, sagte der DAG–Vorsitzende Hermann Brand. Der designierte neue Vorsitzende, Roland Issen, soll Brand ablösen, der nach 20jähriger Amtszeit an der Spitze des 496.000 Mitglieder zählenden Gewerkschaftsverbandes nicht mehr zur Verfügung steht. Roland Issen ist seit 1983 stellvertretender Vorsitzender der DAG und leitete bisher das Ressort „Tarif– und Betriebspolitik Industrie“. Der Wechsel an der Spitze der Angestelltengewerkschaft vollzieht sich in einer für sie schwierigen Phase: Schwindende Mitgliederzahlen in nahezu allen neun Landesverbänden, ein nach wie vor gespanntes Verhältnis zum DGB und nicht zuletzt das schlechte Abschneiden bei den 87er Betriebsratswahlen, was dem neuen Bundesvorstand besonders bitter aufstoßen muß. In den Branchen, in denen die DAG mit der DGB–Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) konkurriert, mußten die DAG– Kollegen Federn lassen. Von den knapp 22.000 Betriebsratssitzen büßte die Angestelltengewerkschaft immerhin rund 2.000 Sitze ein und hat jetzt einen Gesamtanteil von nur noch 8,8 Prozent, gegenüber einem gestiegenen HBV–Anteil auf 60,2 Prozent. Daß die HBV–Erfolge gerade in den Branchen mit einem sehr hohen Angestelltenanteil errungen wurden, muß den DAG– Funktionären zu denken geben. In der Industrie, wo die DAG mit mächtigen DGB–Gewerkschaften wie der IG Chemie und der IG Metall konkurriert, sieht das Bild für die DAG noch düsterer aus. In den metallverarbeitenden Betrieben hält die DAG nur noch 1,7 Prozent der Betriebsratssitze, gegenüber 82 Prozent der IG Metall. Stärker als bisher, so die Devise des designierten Vorsitzenden Issen, soll die DAG nunmehr „in den Kreis der qualifizierten Angestellten“ hineinwirken. Ein Versuch, die Mitgliederkarteien wieder zu füllen. Die als „Standesgewerkschaft“ kritisierte DAG hat es dabei nicht einfach, sich ein eigenes, vom DGB klar zu unterscheidendes Profil zu geben. In den Tarifverhandlungen sind die DGB–Gewerkschaften richtungsweisend, die kleinere DAG muß sich allzu oft an die Tarifabschlüsse anhängen. Im Bereich der Arbeitszeitverkürzung stellt sich jetzt, nachdem die von der DAG favorisierte, weil besonders für Angestellte interessante Vorruhestandsregelung ausläuft, die Frage nach eigenen Alternativen. Der Bundeskongreß wird zeigen, welchen Stellenwert die DAG der Wochenarbeitszeitverkürzung zumißt. Vom künftigen Bundesvorstand werden auch Aussagen zur Gleichstellung der Frau im Beruf erwartet. Obwohl in den DAG– Gremien die Frauen künftig stärker vertreten sein sollen, dringt eine innergewerkschaftliche Quotierung noch längst nicht bis hinauf in den Bundesvorstand durch. Ursula Konitzer wird auch in den nächsten vier Jahren einzige Frau im Spitzengremium der DAG sein. Die Frage nach dem künftigen Verhältnis zum DGB beantwortet Roland Issen mit der Bereitschaft zur engeren Zusammenarbeit. Stärker als bisher, so seine Ankündigung, will er sich bemühen, die gemeinsamen politischen Ziele in den Vordergrund zu stellen. Hans Wagner