Ausgewogenes Finale der Loewe–Ära

■ Der Rundfunkrat des Senders Freies Berlin versagt Ex–Intendanten Lothar Loewe die Entlastung für 1984 und 1985 und verzichtet gleichzeitig auf Regreßansprüche / Jetzt geht es um die Finanzkrise des Senders

Aus Berlin Mechthild Küpper

Diese Ohrfeige tut Lothar Loewe nicht mehr weh. Sie kam spät - geradezu als ausgewogene Geste. Der Rundfunkrat des Senders Freies Berlin (SFB) versagte dessen Ex–Intendanten Lothar Loewe jetzt die Entlastung für die Geschäftsjahre 1984 und 1985. Zugleich aber verzichtete das Aufsichtsgremium des finanzschwachen Senders darauf, den im Mai 1986 in Pension geschickten Loewe als Einnahmequelle zu nutzen, und stellte fest, daß aus allen ihm bekannten Vorgängen „keine Ansprüche gegen Lothar Loewe geltend gemacht werden“. Der Rundfunkrat unterließ es, sich zu der Frage zu äußern, ob rechtlich Regreßansprüche durchsetzbar wären. Den vorzeitigen Verzicht Lothar Loewes auf den Intendantensessel (bei vollen Bezügen bis zum Vertragsablauf) wertete der Bayernkurier damals als „Triumph der Linken“. Auch die Vertreter der Berliner CDU im Rundfunkrat hatten in diversen nicht–öffentlichen Sitzungen dafür gekämpft, Loewe für seine Wirtschaftsführung doch noch das Plazet zu geben. Daß nun weder entlastet wird noch Regreßansprüche erhoben werden, gilt im Proporz–Gremium Rundfunkrat als sauer erstrittener Kompromiß. Doch die Vertreter der CDU versagten selbst diesem Kompromiß ihre Zustimmung und enthielten sich der Stimme. „Hollywood 84“ hieß die dreiteilige Produktion, die das besondere Augenmerk des Revisors und den Ärger des Rundfunkrats auf sich gezogen hatte. Ein Revisionsbericht verzeichnete bei „Hollywood“ gravierende Ungereimtheiten und handfeste Anlässe, Regreßansprüche gegen Beteiligte geltend zu machen. Die horrenden Kosten von mehreren 100.000 Mark für ein neues Signet des Magazins „Kontraste“ sowie die generöse Honorierung etlicher neuer Mitarbeiter mit Spitzengehältern gaben den Debatten um die Entlastung Loewes weiteren Stoff. Mit dem Beschluß von Mittwoch schloß der SFB–Rundfunkrat das Loewe–Trauma nun ab. Jetzt geht es längst nicht mehr nur um die Extravaganzen eines LL, sondern um eine ernste Finanzkrise. Der SFB ist arm. In der technischen Ausstattung und in der Programmgestaltung droht ihm Handlungsunfähigkeit. Die Hälfte seiner Einkünfte bezieht er aus Gebühren, je ein Viertel nimmt er über den Finanzausgleich der ARD–Anstalten und der Werbung ein. Die CDU, die heftig an der Errichtung des „Medienstandorts Berlin“ bastelt, zeigt keinerlei Bereitschaft, eine vom Sender dringend benötigte Gebührenerhöhung auch nur in Erwägung zu ziehen. Der Werbekuchen wächst in der Halbstadt nicht, wohl aber der Kreis der - von den Konservativen energisch geförderten und zärtlich gepflegten - privaten Konkurrenten. Der Verwaltungsrat wies im Sommer den Etatentwurf des neuen Intendanten Herrmann zurück. Erst kürzlich etablierte er aus seinem Kreis eine Dreier– Kommission, die dem Intendanten zeigen soll, wo „gesundgeschrumpft“ werden kann und soll. Eben der Verwaltungsrat, der die Verträge mit der neuen SFB–Führung vor gut einem Jahr selbst aushandelte, zeigt sich nun öffentlichkeitswirksam schockiert über die inzwischen stadtbekannten hohen Bezüge der Post–Loewe–Führungscrew. Um der CDU–These von der dringend nötigen Schlankheitskur für die Landesrundfunkanstalt SFB den nötigen Nachdruck zu verleihen, geistert eine als juristisch verkleidete politische Debatte über die „Konkursfähigkeit“ des Senders durch die Stadt. Einen Antrag, in dem die Fraktionen des Abgeordnetenhauses gebeten werden, für ein Gesetz zu arbeiten, das die Konkursfähigkeit ausschließt, konnte der Rundfunkrat wegen Beschlußunfähigkeit jedoch erst gar nicht abstimmen. Die langjährige Rundfunkrätin und Vizepräsidentin des Abgeordnetenhauses, Gabriele Wiechatzek (CDU), ließ sich unlängst zu einem Bekenntnis zum öffentlich–rechtlichen Rundfunk hinreißen und kündigte an, trotz der mit ihrer Fraktion zu erwartenden Schwierigkeiten für den Antrag stimmen zu wollen. Die schiere Selbstverständlichkeit, daß ein Mitglied des Aufsichtsrats eines Senders sich zum öffentlich– rechtlichen System bekennt, wird in der „Medienstadt Berlin“ als kleine Sensation bewertet. Es war übrigens der Vertreter der Berliner Zeitungsverleger, der die Sitzung eine Viertelstunde früher verließ als angekündigt und den Rundfunkrat damit beschlußunfähig machte. Als Berlin noch Apo–Hauptstadt war, nannte man so etwas „Sprengen“.