Der „Kronzeuge“ - ein Aufschneider?

■ Die Aussage von Dirk S. löste bundesweite Razzia aus / In den Augen Hamburger Sicherheitsexperten ist er aber ein Aufschneider und „geistig nicht in der Lage“, die RAF–Ideologie zu begreifen

Aus Hamburg Ute Scheub

Nach Meinung von Hamburger Sicherheitsexperten ist Dirk S., der sich am vergangenen Dienstag in Hamburg stellte und mit seiner Aussage über angeblich geplante Anschläge eine von der Bundesanwaltschaft initiierte Durchsuchungswelle in Hamburg, Freiburg, Karlsruhe, Berlin, München und Offenbach auslöste, ein Aufschneider und „schwaches Jüngelchen“. Weder er noch die Frauen in Offenbach, mit denen er, kaum daß er sie kannte, eine „terroristische Vereinigung“ gegründet haben will, „haben mit der RAF zu tun“, so der Hamburger Verfassungsschutzchef Lochte zur taz. Der 25jährige Dirk S. hatte in früherer Haft zum ersten Mal RAF–Texte gelesen, sich an Hungerstreiks beteiligt und Briefe an RAF–Häftlinge geschrieben. Die Schreiben wurden kontrolliert, aber nach dem Urteil der Prüfer war Dirk S. „geistig nicht in der Lage“, die dahinterstehende politische Ideologie zu begreifen. Nach seiner Entlassung wurde er von der Hamburger Rechtsanwältin Ute B. betreut, deren Praxis nun ebenfalls wegen Verdachts auf „Unterstützung einer terroristischen Vereinigung“ durchsucht wurde. Anschließend ging Dirk S. nach Berlin. Dort will er Unterlagen über die angebliche Gründung eines RAF–Ablegers in der U–Bahn liegengelassen haben. Als er deswegen von Bekannten zur Rede gestellt worden sei, so seine Aussage gegenüber den Strafermittlern, sei er zu seiner Mutter nach Hamburg geflüchtet. Mama aber nahm ihn an der Hand, als er ihr von der Geschichte erzählte, und marschierte mit ihm zu den Ermittlungsbehörden. Wie windig die ganze Angelegenheit ist, ergibt sich indirekt auch aus der Stellungnahme des Pressesprechers der Bundesanwaltschaft. Der wollte gegenüber der taz nicht angeben, ob neben Dirk S. und der Studentin Andrea B., die nach seiner Aussage verhaftet wurde, überhaupt eine dritte Person in der angeblichen terroristischen Vereinigung in Offenbach existiert: „Ganz grundsätzlich muß es so sein, daß es eine dritte Person gibt, denn das ist die Voraussetzung für eine terroristische Vereinigung.“