P O R T R A I T „Aufblühen“ soll die Gemeinde

■ Der neue Rabbiner der Ost–Berliner jüdischen Gemeinde trat sein Amt an Zuversicht angesichts der wachsenden staatlichen Aufmerksamkeit für Juden

Die Entscheidung, nach Ost–Berlin zu kommen, sei ihm nicht leicht gefallen, erklärte der neue Rabbiner Isaak Neumann am Mittwoch abend. Am Vorabend des jüdischen Neujahrsfestes wurde er durch den Vorsitzenden der Ost–Berliner Gemeinde, Peter Kirchner, und unter Beisein des Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde in West–Berlin, Heinz Galinski, sowie des DDR–Staatssekretärs für Kirchenfragen, Gysi, feierlich in sein Amt eingeführt. Neumann, der seine Gemeinde in Champaign (Illinois) in der amerikanischen Provinz aufgegeben hat, wird nun im Zentrum von Anstrengungen stehen, das jüdische Gemeindeleben in der DDR wieder „aufblühen“ zu lassen, wie er es selbst formulierte. 22 Jahre nach dem Tode seines Vorgängers Martin Riesenburgers kann er sich dabei in der „Hauptstadt“ nur noch auf 190, in Dresden, Halle, Karl–Marx–Stadt, Leipzig, Magdeburg, Erfurt und Schwerin zusammengenommen 200 eingeschriebene Gemeindemitglieder stützen. Die Gesamtzahl der in der DDR lebenden Menschen jüdischer Herkunft wurde kürzlich in einer Ost–Berliner Zeitung mit etwa 3.000 angegeben. Isaak Neumann, dessen Familie durch die Deutschen ermordet wurde und der selbst nach Auschwitz und anderen Konzentrationslagern verschleppt war, will trotz der aktuellen Hilfe des Staates für die jüdische Gemeinde die DDR nicht ganz aus der Verantwortung der deutschen Geschichte entlassen. Die „Schuldigen sollen die Schuld anerkennen“, umreißt er seine Aufgabe. Auch hofft er, daß in der DDR ein Prozeß des Umdenkens gegenüber Israel eingetreten sei und die Übernahme seines Amtes ein Zeichen setze für die Herstellung von Beziehungen zum jüdischen Staat. Mit dem Wiederaufbau der Synagoge und den Zuwendungen für die Gemeindearbeit und die Pflege von 130 jüdischen Friedhöfen - der Friedhof in Berlin Weißensee hat allein über 115.000 Grabstellen und zählt zu den größten Europas - hat der Staat einen ersten Schritt in diese Richtung gemacht. Große Sorgen bereiten dem neuen Rabbiner die Überalterung der Gemeinde, denn nur ein Drittel ihrer Mitglieder ist unter 60 Jahre alt. er