: Behinderte sind kein Frachtgut
■ Behindertengruppen rufen zu einer Demonstration am 3. Oktober in Kassel auf / Im Visier ist die unzureichende behindertengerechte technische Ausstattung im öffentlichen Personennahverkehr
Aus Bonn Oliver Tolmein
Bundesweit mobilisieren derzeit Behinderteninitiativen und Krüppelgruppen zu einer Demonstration am 3. Oktober nach Kassel. „Busse und Bahnen für alle“ ist das Motto dieser ersten ausschließlich von Behinderten organisierten Protestaktion, die derzeit von etwa 25 Organisationen unterstützt wird. Daß sich so unterschiedliche Gruppen wie die eher moderat agierende „Bundesarbeitsgemeinschaft Hilfe“ für Behinderte und das durch Besetzungen und Störaktionen hervorgetretene „bundesweite Forum von Krüppel– und Behinderteninitiativen“ zusammengetan haben, ist ein weiteres Novum. Anlaß für die Demonstration ist, daß der öffentliche Personennahverkehr in der Bundesrepublik für alte Menschen, RollstuhlfahrerInnen, Seh– und Hörbehinderte kaum oder nur teilweise zu benutzen ist. Zuletzt hat sich die Deutsche Bundesbahn unrühmlich hervorgetan, als sie IC–Waggons kaufte, die angeblich behindertengerecht sein sollen, tatsächlich aber nur für BenutzerInnen von schmalen, leicht zu hebenden Rollstühlen benutzt werden können. E–RollstuhlfahrerInnen sind weiterhin darauf angewiesen, im Gepäckwaggon mitzufahren. Noch schlimmer sieht es in der Regel im städtischen Nahverkehr aus: „Zu hohe Stufen, fehlende Leuchtschriftanzeigen für Hörgeschädigte, fehlende Fahrpläne in Blindenschrift und Großdruck sind dabei die Hauptprobleme“, heißt es im Aufrufflugblatt. „Die Ausgrenzung aus dem Öffentlichen Personenverkehr bedeutet für uns die Ausgrenzung aus dem öffentlichen Leben. Mit speziellen Fahrdiensten für Behinderte, die uns in unserer Mobilität durch lange Anmeldezeiten, begrenzte Fahrtkontingente, zu wenige Fahrzeuge, häufige Pannen und Absagen starr einschränken, lassen wir uns nicht abspeisen.“ Die Demonstration, die um 11 Uhr am Kasseler Hauptbahnhof beginnt und am Nachmittag mit einem Kulturprogramm beendet werden soll, findet parallel zu einer Aktionswoche von Behindertengruppen in den USA statt, die dort die gleichen Forderungen vertreten.
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