Den „Abschaum“ in die Klapse abgeschoben

■ Skandal–Staatsanwalt läßt seine Punkertochter in die Psychiatrie einweisen / Drohungen gegen Sozialarbeiterin, die sich erdreistet, auf Erziehungsprobleme aufmerksam zu machen / Punker mauern Haustür zu / Chronik ungeheuerlicher Ereignisse in einem bürgerlichen Haus

Aus Bochum Rita Schnell

Staatsanwalt Josef Zeller (50) ist in Bochum vor allem als Spesenritter bekannt. Gemeinsam mit der als „Reisekammer“ verschrieenen 7. großen Strafkammer machte er im Zusammenhang mit einem NS–Prozeß Ausflüge rund um die Welt. Gegen die reiselustigen Richter und Staatsanwälte wurden Ermittlungsverfahren wegen betrügerischer Spesenabrechnungen eingeleitet. Staatsanwalt Zeller wurde in die Nachbarstadt Essen strafversetzt. Zu diesen beruflichen Unannehmlichkeiten kommen nun auch noch private Probleme. Denn Vater Zeller und Frau Ursel (44), Rechtspflegerin beim Amtsgericht Bochum, kommen mit ihrer Tochter Corinna nicht mehr klar. Corinna ist Punkerin. Und damit nicht genug, sie hat auch zeitweise in den besetzten Häusern des Bochumer Heusnerviertels gewohnt und es überhaupt an der nötigen Pflege des Rechts mangeln lassen. Für Josef Zeller sind die Tochter und ihresgleichen schlicht „Abschaum“ und der „letzte Dreck“. Die Situation im elterlichen Haushalt eskalierte in diesem Frühjahr derart, daß die 17jährige nicht mehr nach Hause zurückkehren wollte. Im vergangenen Mai suchte Corinna beim Bochumer Jugendamt Hilfe. Eine Lösung wurde gefunden. Das Mädchen konnte vorübergehend bei einer befreundeten Familie der Zellers unterge bracht werden. Aber auch dort gab es bald Probleme. Corinna verschwand mit unbekanntem Ziel. Die Eltern Zeller begannen über eine Heimunterbringung der beinahe Volljährigen nachzudenken und spekulierten auf Mittel der freiwilligen Erziehungshilfe. Corinna blieb derweil verschwunden. Erst im August tauchte sie wieder auf, um mit ihren Eltern über den Einzug in eine Wohngemeinschaft zu reden. Doch der aufgebrachte Vater mochte davon nichts hören und bestand darauf, seine Tochter in ein „Heim „ nach Marl–Sinsen zu verfrachten. Corinna suchte ihr Heil in der Flucht. Später wandte sie sich erneut an das Bochumer Jugendamt. Dort mußte sie erfahren, daß es sich bei dem „Heim“, wohin der Vater sie bringen wollte, um die Kinder– und Jugendpsychiatrie handelte. Gemeinsam mit einer Sozialarbeiterin machte Corinna sich am nächsten Tag auf den Weg ins elterliche Haus um mit der Mutter in Abwesenheit des Vaters über ihre weitere Zukunft zu sprechen. Unerwartet kam der Vater an diesem Tag früher als gewöhnlich von der Arbeit. In der folgenden hitzigen Diskussion wurde klar, daß die Absicht der Eltern, ihre Tochter in eine geschlossene Anstalt einzuweisen, unverrückbar feststand. Die Einwände der Sozialarbeiterin, Corinna sei kein Fall für die Psychiatrie, die Ursachen ihrer Entwicklung lägen vielmehr im Elternhaus, konterte der Staatsanwalt mit unflätigen Beschimpfun gen gegen die Berufsstände der Sozialarbeiter und Psychologen. Der Tag endete mit einer heftigen Schlägerei zwischen Vater und Tochter. Die Sozialarbeiterin konnte, bevor sie selber unter Drohungen aus dem Haus geworfen wurde, nur noch hilflos mit ansehen, wie Corinna weinend zusammenbrach. Das Mädchen wurde noch am selben Tag von den Eltern in die geschlossene Abteilung der Kinder– und Jugendpsychiatrie Marl– Sinsen eingeliefert. Aufnahmediagnose: „Dissoziales Verhalten und Gefährdung durch Drogenmißbrauch“. Genau drei Wochen später, am 3. September, versuchte Staatsanwalt Zeller am Morgen vergeblich, sein Haus zu verlassen. Unbekannte hatten in der Nacht die Türe zugemauert. Man wolle ihm, so hieß es auf einem zurückgelassenen Flugblatt, „einen kleinen Eindruck davon vermitteln, was es bedeutet, eingemauert zu sein“. Die heimlichen Maurer werden in Punkerkreisen vermutet. Kurz nach diesem Vorfall wurde Corinna auf die offene Station der Jugendpsychiatrie verlegt.