I N T E R V I E W Die Militanz der Arbeiter wächst

■ Radikalisierung in den südafrikanischen Gewerkschaften / taz–Korrespondent Hans Brandt sprach mit dem Johannesburger Wirtschaftswissenschaftler Duncan Innes

taz: Bei vielen Streiks in Südafrika ist zu beobachten, daß die Arbeitgeber gute Angebote machen, die Arbeiter aber dennoch den Streik fortsetzen wollen. Woher kommt das? Duncan Innes: Das spiegelt eine zunehmende Militanz unter Arbeitern wider, die zeigen wollen, daß sie keine leichten Opfer mehr sind für die Geschäftsleute. Ein Grund für das härtere Vorgehen der Arbeitgeber ist die Tatsache, daß der Ausnahmezustand politische Aktivitäten eingeschränkt hat. Deshalb kommt ein großer Teil der politischen Unzufriedenheit gegen das weiße Establishment in Südafrika jetzt im Arbeitskampf zum Vorschein. Denn für die Arbeiter ist der Unterschied zwischen Arbeitgebern und der Regierung sehr schmal. Im Bergarbeiterstreik wurde den Arbeitern zum Beispiel eine Lohnerhöhung über der Inflationsrate angeboten. Sie haben dennoch weiter gestreikt. Sie wollen einfach zeigen, daß sie nicht mehr bereit sind, vom weißen Establishment herumkommandiert zu werden. Sie sind sogar bereit, ihre Arbeitsplätze zu verlieren, um das auszudrücken. Die Militanz gründet sich vor allem auf die politische Unzufriedenheit der Arbeiter? Es ist eine Kombination politischer und wirtschaftlicher Faktoren. Die südafrikanische Wirtschaft befindet sich schon seit 1985 in einer Rezession. Der Lebensstandard ist stark zurückgegangen. Wenn sich die politischen Hoffnungen der Arbeiter auf die Gewerkschaften konzentrieren, was bedeutet das für die Zukunft in Südafrika? In den letzten zehn bis fünfzehn Jahren hat es eine Revolution in der Entwicklung des politischen Bewußtseins der Arbeiter gegeben. Die Arbeiter sagen nicht mehr einfach, daß sie das Wahlrecht wollen. Sie fordern eine neue Gesellschaft in Südafrika. Dabei wird viel von Sozialismus gesprochen. Ein Zeichen für die Stärke der Gewerkschaften ist die Tatsache, daß die Mitgliedschaft trotz der anhaltenden Rezession gewachsen ist. Die Zahl der Streiks hat auch seit 1980 ständig zugenommen. Einige Gewerkschaften haben deutlich gesagt, daß sie ihre organisierte Kraft für politische Ziel nutzen werden. Sie arbeiten auf einen möglichen Generalstreik hin. Wissen die Arbeitgeber das nicht schon seit langem? Ohne Zweifel reagieren Arbeitgeber immer härter auf Streiks. Dabei gibt es enge Zusammenarbeit mit dem Staat und der Polizei. Kurzfristig wird das sicher erfolreich sein und einzelne Streiks abbrech werden Arbeiter das als einen Angriff auf sie interpretieren. Das kann sie nur radikalisieren.