I N T E R V I E W „Dies ist die Stunde des Parlaments“

■ Karl Otto Meyer, Abgeordneter des Südschleswigschen Wählerverbandes (SSW)

taz: Ist der Rücktritt ein Befreiungsschlag? Meyer:Barschel hat erkannt, daß er die politische Verantwortung übernehmen muß. Dafür hat er meinen Respekt. Es ist aber nicht gesagt, daß er persönliche Schuld trägt. Das Klima wird jetzt etwas entgiftet. Es ist dies die Stunde des Parlaments und nicht die der Regierung. Allerdings will ich nicht verhehlen, daß ich von der FDP enttäuscht bin. Ich habe kein Verständnis für Leute, die mit einem Mann ernsthaft über Koalitionsbildung reden und gleichzeitig sagen, sie gehen mit diesem Mann nicht vor die Kamera. Ich habe nichts von einer Partei, die über den Saustall Schleswig–Holstein redet und gleichzeitig mit der Partei koalieren will, die für diesen Saustall verantwortlich ist. Anstoß für den Rücktritt wird diese Haltung der FDP gewesen sein. Unter diesem Aspekt habe ich völliges Verständnis für Barschels Rücktritt. Sie sind nun zum Zünglein geworden. Welche Alternative favorisieren Sie? Jeder Abgeordnete im Parlament ist gleich wichtig. Jetzt müssen sich die Fraktionen zusammensetzen und miteinander sprechen und prüfen, welche Mehrheiten für eine Regierung zu finden sind. Wie beweglich ist die SSW–Ein–Mann–Fraktion? Ich habe im Wahlkampf gesagt, ich wähle keinen anderen CDU–Ministerpräsidenten mit, weil die programmatischen Unterschiede in der Schul– und Sozialpolitik wie auch in Fragen des Einsatzes der Kernenergie einfach zu groß sind. Ich stehe zu meiner Wahlaussage. Sie werden also nach wie vor keinen neuen CDU– Ministerpräsidenten zum Zuge kommen lassen, indem Sie sich im letzten Wahlgang enthalten? Nein, bei Stimmenthaltung bin ich doch auch mitverantwortlich. Man kann nicht verlangen, daß der eine, der vom SSW, beweglich sein soll oder sich enthalten soll, während 73 andere Abgeordnete sich buchstäblich auf ihren Hintern setzen und überhaupt nichts machen. Das geht nicht. Die müssen ran und sind gefordert. Oppositionschef Engholm hat eine sozialdemokratische Minderheitsregierung nicht mehr ausgeschlossen. Würden Sie ihn dabei unterstützen? Wenn es keine Mehrheitsregierung gibt, sollten wir es damit versuchen, das wäre nicht nur für Schleswig–Holstein, sondern auch für die Bundesrepublik segens– und lehrreich. Nun hängt es aber davon ab, ob CDU und FDP sich bewegen wollen. Wenn nicht, regiert der zukünftige Ministerpräsident Schwarz (CDU) weiter. Könnte bei CDU und FDP jemand umfallen? Die Wähler haben das Parlament zusammengesetzt, und wir haben das zu respektieren. Das hat auch Bonn zu akzeptieren. Nach dem föderalistischen Prinzip kann doch auf die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat nicht Rücksicht genommen werden. Die Wähler haben gesagt, CDU und FDP sollen nicht die Mehrheit haben. Deshalb müssen CDU und FDP sich nun anders orientieren. Man kann die größte Fraktion mit 36 Abgeordneten nicht einfach außen vor lassen. Man muß sie in die Verhandlungen einbeziehen und versuchen, mit der SPD eine Mehrheit zu bekommen. Ob also CDU– oder FDP– Leute Engholm als Ministerpräsidenten mitwählen, das müssen die Verhandlungen zeigen. Oder die CDU sagt, wir machen eine Minderheitenregierung. Es gibt mehrere Möglichkeiten. Nun ist Herr Schwarz am Zuge. Was heißt, er übernimmt die Geschäfte vorübergehend? Das weiß ich auch nicht. Wir können da nur rauskommen, wenn FDP oder CDU bereit sind, ernsthaft mit der SPD zu verhandeln. Neuwahlen lassen sich nicht so leicht durchführen, weil wir nach dem geltenden Gesetz eigentlich die Wahlbezirke neu schneiden müßten. Wie sähe nun Ihr Wunschkabinett aus? Um es ganz offen zu sagen, ein Wunschkabinett habe ich nicht. Für mich ist die entscheidene Politik, daß die Arbeitslosigkeit in unserer Region bekämpft wird. Jede Fraktion, die dafür arbeitet, werde ich unterstützen. Interview: Benedict Maria Mülder