Bayerische AIDS– Offensive in Bonn

■ Drei Gesetzentwürfe in Bundesrat eingebracht / Auch infizierte EG–Ausländer sollen draußen bleiben

Aus Bonn Oliver Tolmein

In der gestrigen Bundesratssitzung ist die bayerische Staatsregierung in Sachen AIDS–Bekämpfung in die Offensive gegangen: Drei Gesetzesanträge und zwei Entschließungen legte sie dem Bundesratsplenum vor, bevor dessen Ausschüsse darüber beraten hatten. In einer noch während der Debatte stattfindenden Pressekonferenz wetterten der bayerische Staatssekretär Gauweiler und sämtliche von der CDU/ CSU–Fraktion für die AIDS–Enquetekommission benannten Sachverständigen gegen den Kurs von Bundesgesundheitsministerin Süssmuth. „Wir haben gute Hoffnung“, so Gauweiler, „daß die Ablehnungsfront gegen den bayerischen Maßnahmekatalog bröckelt.“ In der Bundesratssitzung selbst allerdings stießen die Bayern mit ihrem Antragspaket überwiegend auf Ablehnung. Der Berliner Gesundheitssenator Fink sprach für seine Kollegen aus den CDU/ FDP–regierten Bundesländern: „Unsere Mischung ist 95 Prozent Aufklärung, fünf Prozent Zwangsmaßnahmen - nicht umgekehrt.“ Bundesgesundheitsministerin Süssmuth wandte sich in ihrem Redebeitrag allerdings nicht grundsätzlich gegen jede Gesetzesänderung, sondern mahnte: „Wir müssen stets die weiteren, möglicherweise schädlichen Folgen von Gesetzesänderungen im Auge behalten.“ Heikel sind vor allem zwei der von den Bayern vorgelegten Gesetzentwürfe, darunter der „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes/ EG“. Fortsetzung auf Seite 2 Dieser will erreichen, daß künftig auch HIV–infizierten BürgerInnen aus EG–Ländern die Einreise in die BRD verwehrt wird, „da aus epidemiologischer Sicht kein Grund für eine Differenzierung zwischen EG– und Nicht–EG–angehörigen Ausländern besteht. Problematisch ist vor allem aber „der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundes–Seuchengesetzes“, der bewirken würde, daß ein erweiterter „bayerischer Maßnahmekatalog“ auf die gesamte BRD angewendet werden würde. Das Gesetz sieht beispielsweise vor, daß „der behandelnde Arzt ... eine Person namentlich zu melden (hat), wenn der durch Tatsachen begründete Verdacht besteht, daß die Person HIV–infiziert ist, diese sich aber weigert, eine Untersuchung auf HIV vornehmen zu lassen, und nicht ausgeschlossen werden kann, daß die Person durch ihre Lebensweise ... eine Gefahr der Übertragung von HIV auf andere bilden kann“. Aufgrund der unbestimmten Formulierungen wäre damit die gesetzliche Grundlage für einen Zwangstest für alle. Wer andere mit AIDS infiziert, soll nach dem Wortlaut des Gesetzes mit einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft werden, egal, ob er/sie von der eigenen Infektion überhaupt weiß. Auf der Pressekonferenz waren Gauweiler und seine Mannen ansonsten bemüht, die Wirkungsmöglichkeiten von Aufklärung und Prävention möglichst niedrig zu bewerten. So verwies Gauweiler auf eine 18 Probanden umfassende Studie, die erwiesen habe, daß AIDS im Geschlechtsverkehr auch trotz Kondombenutzung übertragen werden könne.