Emma contra Zeitgeist

■ Die Frauenzeitschrift Emma startet eine Kampagne gegen Pornographie

„Pornographie ist überall. Es gibt kein Ausweichen mehr. Sie ist allgegenwärtig. Sie dringt in die Seele von Männern und Frauen.“ Mit Emphase entfaltet der Leitartikel in der jüngsten Ausgabe der Emma seine zentrale These von der „Pornographisierung des Alltags“. Gegen Pornographie, die „Kriegspropaganda gegen Frauen“ (Alice Schwarzer) richtet sich die neueste Kampagne von Emma. Sie beginnt mit einer Bestandsaufnahme der letzten 20 Jahre, im November wird ein Report über die Situation der Frauen in der Pornoindustrie folgen und schließlich soll im Dezember ein Gesetzentwurf gegen Pornographie zur Diskussion gestellt werden. Emma liebt Kampagnen. Dann kann sie machen und alle anderen müssen nachziehen. Dann kann sie klarstellen, wer die feministische Avantgarde in diesem Land ist. Dieser Selbstherrlichkeit bin ich schon lange überdrüssig. Dennoch: mit dieser Kampagne zeigen die Redakteurinnen der Emma Rückgrat. Zumindest widersetzen sie sich dem Zeitgeist. Sich über die Tendenzen der letzten Jahre zu verständigen, Diskussionen anzuzetteln, in denen die verschiedenen Strömungen der Frauenbewegung zu Wort kommen können, wäre für mich wichtigster Bestandteil dieser Kampagne. Doch ich fürchte, die Emma setzt statt auf Kritik und Widerspruch auf Eindeutigkeit und Abgrenzung. In ihrem Leitartikel gelten Thesen, die so klar nicht sind, wie es die Emma gerne hätte. Zum Beispiel: Pornographie sei die Theorie, Vergewaltigung die Praxis. Eindeutig sei der Zusammenhang zwischen der zunehmenden Gewalttätigkeit und Brutalität in Pornoheften und -Videos, ihrer massenhaften Verbreitung und der Zunahme von sexuellen Gewaltakten gegen Frauen. Selbstverständlich würden feministische Anti–Pornographie–Kampagnen nie mit ihren Forderungen den repressiven Moralvorstellungen der Rechten in die Hände arbeiten. Dabei zeigt gerade die US–amerikanische Diskussion, auf die sich Emma bezieht, wie unterschiedlich Feministinnen dies einschätzen. Die Frage nach der Mittäterinnenschaft von Frauen taucht nicht auf. Die Überlegung, daß bei allen juristischen Wegen letztlich immer der Staat und nicht die Frauen die Definitionsmacht über Pronographie behält, ist nicht angesprochen. Stattdessen werden Seitenhiebe auf die Frauen „aus dem sich kritisch und links verstehenden Lager“ ausgeteilt, die diese Fragen zu stellen wagen. Emma at her best. Der Gesetzentwurf, so eine Emma–Redakteurin auf Nachfrage, ziele nicht auf eine Verschärfung des Strafrechts. Beabsichtigt sei, und nur soviel könne bislang verraten werden, zivilrechtlich Frauen ein „juristisches Instrument in die Hand zu geben, mit dem sie sich gegen Pornographie wehren können“. Emma wird also in den nächsten Wochen das Wunder vollbringen, eine tragfähige Definition für bekämpfenswerte Pornographie zu formulieren. Immer hellhöriger und sensibler seien die Macherinnen der Emma bei der Beschäftigung mit dem Thema geworden, heißt es im Editorial. Schließlich wurde ihnen sogar das eigene Titelbild suspekt. Da illustriert eine Frau im schwarzen Lederwestchen, mit herabgerutschten Spaghettiträger und einer schäumenden spritzenden Sektflasche die Story zum weiblichen Orgasmus. Ich hatte dabei keine Assoziation an Frauenverachtung, Gewalt oder „Abspritzen“, finde den Titel toll, unbeschreiblich weiblich eben. Und löse bei der zuständigen Emma–Redakteurin mit diesem Lob Erle AUTOR_________: Helga Lukoschat