Die Mandelas als Seifenoper

■ Der britische Fernsehfilm „Mandela“ sorgt in London wie in Soweto für Streit über den filmischen Umgang mit dem Befreiungskampf in Südafrika / Township–Aktivisten: Der Film nutzt der Bewegung der Schwarzen

Aus London: Rolf Paasch

„Danny Glover ist Nelson. Afre Woodard ist Winnie. Schauts Euch an am Donnerstag auf dem Vierten Kanal.“ Die Geschichte der Mandelas als Seifenoper im privaten britischen Fernsehen. Der Befreiungskampf in Südafrika kommt abends als Liebesgeschichte in die Wohnzimmer. Apartheid flimmert als Folklore über den Bildschirm, das mußte Ärger geben. Winnie Mandela wollte den Film abgesetzt sehen, weil die Story über ihre Beziehung zu Nelson „keinem politischen Zwecke“ diene. Kritiker werfen ihr dagegen vor, sie befürchte nach einem Erfolg des in 30 Länder verkauften Films ein nachlassendes Interesse für die von ihr autorisierten Filmprojekte über den Befreiungskampf: die von Harry Belafonte produzierte US–Mini– Serie sowie eine von der Frau Bill Cosbys organisierte Produktion. Auch einige der Aktivisten in den Townships, die nach Winnies Bungalowbau mit der Frau ihres seit 24 Jahren inhaftierten Führers ohnehin unzufrieden sind, haben wenig Verständnis für Winnie Mandelas Protest. Jeder Film, der das Apartheid–Regime 2 1/2 Stunden lang an den Pranger stelle, so sagen sie, nütze der Bewegung, ob mit Erlaubnis gefilmt oder nicht. Und der Film des in Südafrika geborenen Stückeschreibers Ronald Harwood ergreift Partei. Hier Nelson, der charismatische, unbeugsame Held, dort das Rassistenregime in der Gestalt häßlich– uniformierter Schergen, die zu keiner menschlichen Neigung mehr fähig scheinen. Alle Meilensteine des schwarzen Widerstands werden pflichtgemäß passiert. Nelsons Plädoyer für eine gewaltlose Widerstandskampagne, das ihm neun Monate Knast auf Bewährung einbringt. Zwischendurch die Liebe auf den ersten Blick zu einer der ersten schwarzen Sozialarbeiterinnen Südafrikas. 1960 das Massaker von Sharpeville gefolgt von Pietermaritzburg, wo Mandela das Recht auf „Selbstverteidigung“ proklamiert. Als Folge wird der ANC verboten, die Führer gehen in den Untergrund. Die mit Winnie arrangierten Begegnungen werden immer hastiger. Da Nelson Mandela im Mittelpunkt steht, verkommt sie im Film zur unterwürfigen Hausfrauenpuppe. Kein Wunder, daß Winnie Mandela diesen Film nicht wollte. Nach dem Hochverratsprozeß von 1963 sehen sie sich nur noch durch die Trennscheibe des Knastes auf Robben–Island. Auch Winnie wird schließlich zum direkten Opfer der Repressionsmaschinerie. Sie verbringt 17 Monate in Einzelhaft und wird anschließend mit ihren beiden Töchtern nach Brandford im Orange–Free–State ver bannt. Doch erst 1976 auf der Beerdigung der Opfer von Soweto darf sie dem Filmskript zufolge ihre erste politische Rede halten. Winnie Mandela beschwerte sich, daß die Filmemacher sie nicht konsultierten. Der Regisseur behauptet, sie habe ihn nicht empfangen wollen. Dürfen weiße Regisseure ohne Erlaubnis Filme über schwarze Helden drehen? Wohin gehen die Profite? Diese Fragen erhalten grundsätzlichen Charakter, denn Steve Biko ist der nächste, dessen Geschichte von einer sensations– und geldgeilen weißen Filmindustrie abgedreht wird. Richard Attenboroughs (Gandhi) Südafrika–Epos „Cry Freedom“ kommt im November in die britischen Kinos. Schon jetzt ist da von einer weißen Verzerrung der Wirklichkeit des Befreiungskampfes die Rede. Daß bei solchen aufgesetzten Projekten wie bei „Mandela“ schlechte Filme herauskommen müssen, versteht sich fast von selbst. Aber was, wenn der filmische Schund der Verbreitung der Wahrheit dient? Denn war der Begriff des „Sharpeville Massacre“ vor der Ausstrahlung des Films nichts als eine leere Worthülse aus der allabendlichen Nachrichtensprache, so ist er für die „Konsumenten“ des Mandela–Films nun mit dem Bild einer wild auf wehrlose Schwarze losballernden südafrikanischen Polizei gefüllt.