Barschel–Nachfolge ohne Neuwahlen?

■ Finanzminister Stoltenberg will Nachfolge Barschels nicht antreten / FDP hält auch im Falle von Neuwahlen an Koalition mit der CDU fest / Neuwahlen setzen Änderung der Landessatzung mit Zweidrittel–Mehrheit voraus

Kiel/Berlin (taz/ap) - Drei Tage nach dem Rücktritt des schleswig– holsteinischen Ministerpräsidenten Barschel (CDU) ist die Zukunft des Landes immer noch nebulös. Die FDP will partout an ihrer Liaison mit der CDU festhalten. Ihre Absage an die SPD bekräftigten der FDP–MdL Neithard Neitzel (s. Interview Seite 5), der frühere FDP–Landesvorsitzende Ronneburger und sein Nachfolger Wolf D. Zumpfort. Ohne Neuwahlen werde es beiden Parteien gelingen, einen neuen Ministerpräsidenten zu wählen, hoffte Zumpfort am Wochenende. Er betonte, daß die „FDP–Bundesführung in uns einen Garanten dafür sieht, daß die bisherige CDU/ FDP–Bundesratsmehrheit erhalten bleibt, damit ein ausschlaggebender Einfluß von Franz Josef Strauß und seiner CSU verhindert wird“. Im Hinblick auf die entscheidende Stimme des Abgeordneten des Südschleswigschen Wählerverbandes (SSW), Karl– Otto Meyer, gab sich Zumpfort „gedämpft optimistisch“: „Ich glaube, da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen, die FDP ist in engem Kontakt mit dem SSW.“ Der SSW–Vorsitzende Wehlitz dementierte allerdings solche Spekulationen. Der Parteitag am nächsten Samstag in Flensburg werde „keine neue Marschroute verordnen“. Auch Meyer hat erneut bekräftigt, daß er keinen CDU–Ministerpräsidenten mitwählen werde, „auch Stoltenberg nicht, den kenne ich“. Erst für den Fall, daß es nicht gelingen sollte, einen Barschel– Nachfolger zu wählen, rechnet FDP–Mann Zumpfort mit einer Zweidrittel–Mehrheit zur Änderung der Landessatzung. Sie ist nach verbreiteter Rechtsauffassung Voraussetzung für die „Selbstauflösung“ des Parlaments mit anschließenden Neuwahlen. Dafür hat sich jetzt indirekt Strauß stark gemacht. Er will „da und dort gehört haben, daß Neuwahlen die sauberste Lösung sind, so unangenehm und unbequem der Weg auch ist“. Um das zu verhindern, will jedoch nicht einmal der für die Affäre Barschel zumindest politisch mitverantwortliche CDU–Lan desvorsitzende, Finanzminister Stoltenberg, in die Bresche springen. Zwar kehrt er heute vorzeitig von der Weltbank–Tagung in Washington zurück, aber nur, um sich wieder „intensiv“ an den Koalitionsverhandlungen zu beteiligen. Spekulationen, er werde der neue Ministerpräsident sein, wies Stoltenberg als „haltlos“ zurück. Der Staatssekretär im Verteidungsministerium und stellvertretende CDU–Landesvorsitzende, Würzbach, brachte sich indes wieder elegant ins Gespräch. Der Kandidat solle Vorrang haben, „der in der Fraktion vertreten ist oder dort einmal war“. Es käme dabei auch auf sein gutes Verhältnis zum SSW–Abgeordneten Meyer an. Würzbach lehnte eine Kandidatur jedenfalls nicht mehr generell ab. Bis Mitte Oktober will sich die Kieler CDU aber nach Angaben ihres Fraktionsvorsitzenden Kribben Zeit nehmen, um einen neuen Kandidaten zu präsentieren. Die Fraktionssprecherin der Grünen im Bundestag, Waltraud Schoppe, forderte hingegen, daß die Regierung in Kiel von der SPD gestellt werde. Deren Spitzenkandidat Engholm, so Schoppe, habe auch für viele grüne Themen akzeptable Lösungsvorschläge. bmm