Der Reporter und der Geheimdienstchef

■ Gegensätze ziehen sich an - das beweist das neue Buch des Watergate–Reporters Bob Woodward über William Casey und die CIA unter Präsident Reagan / Der Autor versteht selbst nicht, warum Casey geplaudert hat / Inzwischen liegen die ersten Dementis vor

Aus Washington Stefan Schaaf

15 Jahre nach seinen ersten Artikeln über die Watergate–Affäre hat Bob Woodward mit seinem neuesten Buch abermals ins Zentrum einer amerikanischen Administration gezielt und, wie die sogleich ausgebrochene Aufregung in der US–Hauptstadt zeigt, ins Schwarze getroffen. Am Sonntag bereits, als die Washington Post die ersten Auszüge aus „Veil - die Geheimkriege der CIA von 1981–87“ druckte, erschien die Frau des verstorbenen CIA–Direktors Casey in den Abendnachrichten und warf dem Autor „Lüge“ vor. Woodward schreibt, daß Casey ihm kurz vor seinem Tod im Krankenhaus bedeutet habe, von Anfang an über den wichtigsten Aspekt der „Irangate“–Affäre - die Abzweigung der iranischen Waffendollars an die Contra - Bescheid gewußt zu haben. Sophia Casey behauptet, Woodward habe Casey nie im Hospital besucht; der wiederum beteuert, unbemerkt hineingeschlichen zu sein. Der im Mai verstorbene Geheimdienstboss ist die unbestrittene Hauptfigur in „Veil“, zu deutsch „Schleier“ und unter Casey CIA–internes Codewort für die geheimsten aller Geheimoperationen. Fast 50mal hat Casey sich in den letzten Jahren mit Woodward getroffen, in seinem Büro im Hauptquartier des Geheimdienstes, in seinem Haus zum Dinner, auf Parties und in Flugzeugen. Woodward schreibt in seinem Buch, daß er bis heute nicht versteht, warum Casey dies tat. Jeder Reporter weiß, daß seine Quellen ihn genauso für ihre Zwecke einspannen, wie er sie selbst ausnutzt. Woodward sagt lediglich, daß Casey mit vielen Aussagen des 500–Seiten–Werks nicht übereinstimmen, aber die beschriebenen Ereignisse wiedererkennen würde. Keine Schwierigkeiten dürfte er bei der wohl spektakulärsten Episode des Buchs haben, die von der versuchten Ermordung des libanesischen Sheikhs Fadlallah handelt, der als Führer der „Hiezbollah“–Einheiten die Verantwortung für drei mörderische Bombenanschläge auf US–Einrichtungen im Libanon trägt. Von der CIA ausgebildete libanesische Antiterrorkräfte brachten im März 1985 eine gewaltige Autobombe vor dem „Hizbollah“–Hauptquartier zur Explosion, die 80 Menschen tötete, aber Sheikh Fadlallah kein Haar krümmte. Casey hatte die Saudis dazu gebracht, die Operation zu finanzieren und zu unterstützen, als er innerhalb der CIA auf Widerstand stieß. Casey habe in dieser Angelegenheit „Blut an den Händen“, schreibt Woodward. Später willigte Fadlallah - zu Caseys großem Erstaunen - ein, gegen zwei Millionen Dollar die Amerikaner in Ruhe zu lassen. Inzwischen hat der Scheich in Beirut dementiert, jemals Geld vom CIA erhalten zu haben. Die Geheimoperation im Libanon war nur ein Beispiel für zahlreiche Fälle, in denen Casey die vorgeschriebenen Regeln verließ und eigene Wege beschritt, in denen er Operationen autorisierte, gegen die es politischen Widerstand gab. So pflanzte Casey persönlich eine Wanze im Büro eines hohen Regierungsbeamten im Nahen Osten. Als Woodward ihn auf die Episode ansprach und Namen nannte, habe Casey ihn in dramatischer Weise um Stillschweigen ersucht. Casey habe das CIA–Budget für Auslandspropaganda stark ausgeweitet und Zeitungen sowie Forschungsinstituten in anderen Ländern sowie „einigen Autoren in Europa“ Geld zukommen lassen. Geld ging auch an Libanons ermordeten Präsidenten Beshir Gemayel, an die dominikanische Premierministerin Eugenia Charles für ihre diplomatische Rückendeckung bei der US–Invasion Grenadas, an Ferdinand Marcos und Jaafar Numeiri sowie an Gegner der italienischen KP bei den Parlamentswahlen 1985. Wenig neues bietet „Veil“ dagegen über den „Irangate“–Skandal, der Woodward während der letzten Arbeitsmonate an dem Buch begleitete. Doch es stützt die These, daß Casey eine der wichtigsten Figuren und eine der treibenden Kräfte hinter den Kulissen der Affäre war - vor allem, da Casey offenbar Zweifel an der Entscheidungskraft Präsident Reagans hatte. „Caseys Überzeugungen, seine Hingabe und seine Besessenheit waren für die Contra– Operation, die Iran–Initiative und eine Reihe anderer geheimer Unternehmungen wichtiger als die jeder anderen Person einschließlich des Präsidenten“, heißt es in dem Buch. Ein ähnliches Zeugnis könnte man Woodward ausstellen, dessen journalistische Spürnase und Arbeitswut genauso ausgeprägt ist wie Caseys ideologisch motivierte Hartnäckigkeit. 250 Personen hat er interviewt, monatelang hat er mit seiner Zeitung gekämpft, welche Erkenntnisse der Post zukommen und welche er für sein Buch zurückhalten könne. Dabei ist dem Mann, der außer über Watergate weitere Bestseller über den Supreme Court und über den Drogentod des Schauspielers John Belushi geschrieben hat, der Humor nicht verloren gegangen. „Gelassen“ habe er auf die Tatsache reagiert, daß nicht, wie geplant, seine Washington Post am Sonntag, sondern ein findiges Wochenmagazin schon am Freitag die ersten Details über sein Buch auf den Markt warf.