Einkaufscenter: Prestigegewinn durch Halbgötter in Weiß

■ Verbrauchermarktkette Massa AG plant Einrichtung von Arztpraxen in ihren Häusern / Auffangbecken für Mediziner–Schwemme / Standesorganisationen warten ab

Von Jürgen Schulz

Ist es möglich, wohlsituierte Ärzte, die Halbgötter in Weiß, in vulgäre, preiswerte Konsumtempel namens Verbrauchermärkte zu integrieren, wie dies bislang Schustern, Optikern oder Friseuren widerfahren ist? Wenn es nach der Verbrauchermarktkette Massa AG in Alzey geht, liegt diese Fusion der ungleichen Partner durchaus im Bereich des wünschenswert Möglichen. Nach Vorstellungen der Konzernleitung sollen in ihren Einkaufsräumen - Massa arbeitet vornehmlich im südwestdeutschen Raum - sogenannte „Gesundheitszentren“ entstehen. Ärzte würden dort, so ein Sprecher des rheinland–pfälzischen Großunternehmens, neben Apotheken und Massageinstituten ihre Praxis einrichten. „Ich gestehe, wir haben uns darüber noch keine Gedanken gemacht“, strahlt Helmut Dippner von der tangierten Ärztekammer Hessen nur vordergründig Ruhe und Gelassenheit aus: „Aber es könnte sein, daß wir uns dafür interessieren müssen, jedoch hat Massa bis jetzt noch nicht mit uns geredet.“ Dippner braucht sich weiß Gott keine grauen Haare wachsen lassen. Die Pfründe der Äskulap– Jünger erfreuen sich einer hervorragenden Absicherung. Der Beruf des Kassenarztes ist an eine freie Tätigkeit gekoppelt, die wiederum genauen Gebührenordnungen unterliegt. Es würde mithin gegen die geltende Berufsordnung verstoßen, falls sich Mediziner von Massa festanstellen ließen - obwohl eine Niederlassungsfreiheit für die helfenden Hände existiert. Gegen eine bloße Vermietung von „Einkaufsfläche“ an Doktoren könnte somit auch die Standesorganisation nichts ein wenden. „Deshalb“, lehnt sich der hessische Standesverwalter hörbar zurück, „lassen wir die Dinge ruhig auf uns zukommen. Dumping–Ärzte wird es mit uns auf jeden Fall nicht geben!“ Womöglich aber, das erkennen auch Ärztevertreter andernorts, läuft die Zeit für Einkaufsketten wie Massa. Jährlich strömen etwa 11– bis 12.000 studierte Ärzte aus den Universitäten und suchen - oftmals vergeblich - ein adäquates Betätigungsfeld. In zwei bis drei Jahren, gesteht auch Helmut Dippner, könnte Massa die Medizinerschwemme ausnutzen: „Aber wieviele Ärzte sollen denn da arbeiten? Für uns wird die Sache, wenn überhaupt, erst dann relevant, wenn, sagen wir mal, 30, 40 Ärzte in einem Einkaufszentrum unterkommen würden. Das sehe ich im Moment aber wirklich nicht.“ Die Vermutung, die Alzeyer Aktiengesellschaft verfolge mit ihrem Vorstoß lediglich PR–Absichten, liegt nahe. Bei Nachfragen im Mutterunternehmen wird man konsequenterweise zunächst einmal an den Werbeleiter verwiesen. „Bitte warten“, klingt es dort vom Band, untermalt von einem Honkytonk–Piano in Westernart. Warten will auch der Konzern mit der Realisierung seines Projekts; die Integration der Ärzte in die Einkaufscenter scheint eher ein voreiliger Schuß aus der Hüfte zu sein. Ein Sprecher des Betriebs: „Wir geben im Moment noch keine Zeitvorgabe für unser Unterfangen, weil wir erst noch das genaue Konzept erraten müssen. Noch ist nichts spruchrreif. Wir müssen zunächst einmal durchrechnen, ob und wie unsere Projektierung wirtschaftlich greift.“ Wer sich also bereits auf den Gang zu einem „Dr. Minuteman“ gefreut hat, wird sich noch einige Zeit gedulden müssen.