Herrhausen: Auch ein Forderungsverzicht ist drin

■ Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank betreibt in Washington am Rande der Währungskonferenz Imagepflege / Im Hintergrund: Die nächste Runde im Konkurrenzkampf der internationalen Banken untereinander

Aus Washington Ulli Kulke

Mit den „schwächsten Gliedern“ in der Kette der Gläubigerbanken will er nach Möglichkeit nichts zu tun haben. Man stellt lieber allein Überlegungen zur Lösung der Schuldenkrise an, „um die eigene Stärke ausnutzen zu können“. Die anderen können sich ja hinterher überlegen, ob sie die Ideen übernehmen: „Wir beanspruchen kein Copyright dafür“. Der so spricht, tut dies aus einer wahrhaft komfortablen Position heraus. Wer regiert schon ein Bankenhaus wie Alfred Herrhausen: Die Deutsche Bank mit ihren Rekordgewinnen in den Jahren der Schuldenkrise 1985 und 1986, und vor allem mit Wertberichtigungen in den Bilanzen, die 70 Prozent ihrer Drittwelt–Kredite umfassen. Man ist somit für das „schlimmste“ gewappnet, wenn kein Geld mehr zurückkommt aus den Schuldnerländern, und man kann gut damit leben. Nach Hummer und Filet im Washingtoner Embassy Row Hotel für die zur Weltwährungstagung angereiste deutsche Presse brachte Herrhausen wieder mal Schwung in die Schuldendebatte. Der smarte Aufsteiger und künftige alleinige Herrscher (wenn Mit–Vorstandssprecher Christians zurücktritt) über das Imperium von Deutscher Bank, Daimler, AEG, Dornier und anderen, arbeitet seit einiger Zeit an einem Image, das mehr Gewicht haben soll, als das eines gemeinen Chefs der Deutschen Bank: Der Plan zu einem Zinsausgleichsfonds, der die Schuldnerländer vor allzu erratischen Zinsausschlägen schützt, soll mit dem Namen Herrhausen verbunden eingehen in die Lösung der Währungskrise, der kritischsten Situation, in der sich der Weltmarkt während der Nachkriegszeit befunden hat. Der Stärke seines Hauses bewußt ging Herrhausen in Washington nun einen Schritt weiter. Zwar blieb die Bank insofern noch im Dorf, als er keine direkte Forderung nach einem Teilverzicht der Geschäftsbanken auf ihre Forderungen an die Dritte Welt aufstellte. Immerhin konnte er dankbar auf die entsprechende Frage antworten; „Ich würde es nicht grundsätzlich ausschließen“. Er konnte - nicht zu unrecht - darauf verweisen, daß bereits jetzt solche Verzichtsleistungen erbracht werden - zwar nicht für die Entwicklungsländer entlastend wirksam, aber für die Gläubigerbanken belastend: Wenn diese nämlich ihre Forderungen mit bisweilen gehörigem Discount an Dritte verkaufen. Und wenn sie niedriger verzinste Bonds der Drittweltländer für ihre Kredite eintauschen, so sei das nichts anderes als Zinsverzicht. Jeder Banker weiß das, aber man sagt es nicht. Kein Zweifel, hier arbeitet einer daran, ein Tabu der Banker–“Community“ zu brechen: „Wir müssen aus der eigenen Erfahrung nach dem Krieg lernen“ und sehen, daß ein Forderungsverzicht nicht unmöglich ist. Daß Herrhausen mit seinen Vorstössen auf den geballten Unwillen japanischer und US– amerikanischer Banken stößt, ist kein Zufall, eher schon einkalkuliert. Für einen irritierten US–Kollegen ist Herrhausen gar ein „innovativer Softie“, wie ein informierter Wirtschaftsjournalist aus seinem Hotelbar–Gespräch vom Vorabend dem Starmanager vor versammelter Mannschaft petzt. Die Imagepflege ist nämlich nur die eine Seite vom Vorstoß dieses mächtigen „Softies“. Es gibt noch eine zweite, ganz rationale im Sinne der Profitrate, die somit die Welt(anschauung) wieder ins Lot bringt: Man wähnt eine neue Runde im Schuldenwettstreit. Und da will man den Abstand zur Verfolgergruppe noch ein wenig vergrössern. Je stärker der faktische Schuldennachlaß, desto stärker stehen diejenigen Banken da, die am meisten für den Fall vorgebeugt haben, daß dann tatsächlich abgeschrieben werden muß: wenn nämlich kein Geld mehr zurückkommt. Und da strotzen die bundesdeutschen Kreditinstitute mit ihren Wertberichtigungen von durchschnittlich etwa 50 Prozent vor Gelassenheit. Und wie so oft steht die „Deutsche“ auch hier noch ein bißchen besser da. Dieser Wettlauf findet weltweit statt. In den USA hatte ihn im Frühjahr die City Bank gestartet. Ihr Chef John Reed hatte den richtigen Riecher gehabt, als er auf einen Schlag drei Milliarden in die Risikovorsorge zurückstellte. Nur wenige Stunden lang sank der Aktienkurs der City Bank und folgte damit dieser buchhalterischen Gewinnschmälerung. Schon kurze Zeit später jedoch überflügelte die Hausse des City–Papiers alle Konkurrenten. Wollten die anderen US–Banken den Vertrauensvorsprung aufholen, mußten sie nachziehen. So hatte sich recht schnell durchgesetzt, was vor allem zählt in diesen bewegten Zeiten der Banken: Die Vertrauenshierarchie. Und da steht einer ganz oben auf der Leiter, der ganz offensichtlich das beste draus machen will.